profilm.de Zeitzeugenberichte

 


Wiedergabe der Inhalte von Briefen eines Soldaten der Russlandfront


Die vorhandenen Briefe und Karten von Paul Gränzer aus Brandenburg, der als Soldat der Wehrmacht an der russischen Front eingesetzt ist, sind lückenhaft und beginnen mit dem Zeitpunkt, an dem er erfährt, dass ein naher Verwandter, wahrscheinlich sein Bruder, im Krieg gefallen ist. Er nimmt das recht teilnahmslos auf und schreibt an seine Mutter, dass man als Soldat jederzeit mit dem Tod zu rechnen hat.
Auch seine Situation ist ernst, denn er erkennt längst die Aussichtslosigkeit der militärischen Lage Deutschlands. Er ist zum zweiten Mal durch kriegerische Handlungen von seiner Truppe abgeschnitten und versucht, seine Einheit wieder zu finden. Er glaubt nicht daran, dass die russischen Truppen auf ihrem Vormarsch nach Berlin zu stoppen sind, er glaubt nicht einmal daran, dass er den Krieg überleben und seine Familie wiedersehen wird. Allerdings ändert er diese Ansicht im März 1945, nachdem es ihm mit einem Trupp zwei Mal gelungen war, aus einer russischen Umzingelung verlustfrei auszubrechen. Zu diesem Zeitpunkt hat er schon lange keine Post mehr von zu Hause erhalten. Am 14. März endet der Briefverkehr auch von seiner Seite aus. Erst nach fast einem Jahr, am 8. Februar meldet sich Paul aus sowjetischer Gefangenschaft.
Er schreibt über die Vermittlung des internationalen Roten Kreuzes, aber naürlich unterliegen seine Nachrichten einer strengen Zensur, weshalb er regelmäßig zuvorderst anführt, dass er gesund ist und es ihm gut geht. Auch seine Freude über die Todesurteile im Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses mag zwar zutreffen, dass er diese jedoch als einzige wirkliche Nachricht in seiner Karte vom 22. Oktober 1946 mitteilt, dürfte eher dem Wunsch seiner sowjetischen Lagerkommandantur entsprechen.
Offenbar werden die Briefe aus dem sowjetischen Gefangenenlager streng zensiert, denn die Inhalte der von dort gesendeten Karten sind sehr kurz, deren Texte völlig unverbindlich, emotions- und nachrichtenlos. Ja teils ist der Text in großen Teilen wortwörtlich gleich und die Worte stehen sogar an exakt gleicher Stelle.
12.01.1945Front nach Brandenburghandgeschriebener Brief in nahezu unleserlicher SchriftPaul Gränzer hat aus einem Brief seiner Mutter erfahren, dass ein naher Angehöriger, wahrscheinlich sein Bruder, im Krieg gefallen ist. Äußerlich nimmt er kaum Anteil daran, sondern sieht das als hinzunehmendes, mögliches Schicksal eines jeden Soldaten.Brief
04.02.1945Front bei Wischgau nach Brandenburghandgeschriebener Brief in nahezu unleserlicher SchriftPaul Gränzer beschreibt seine Lage als ausgesprochen schwierig. Er ist mit Kameraden von der Truppe abgetrennt und wahrscheinlich von russischen Truppen umschlossen. Er glaubt nich daran, dass der Vormarsch der Russen gestoppt werden kann und sieht es als möglich, dass er und seine Familie sich nie wieder sehen werden.Brief
09.02.1945Front bei Wischgau nach Brandenburghandgeschriebener Brief in nahezu unleserlicher SchriftPaul Gränzer wird mit der Einheit, bei der er untergekommen ist, verlegt und feiert Abschied von Wischgau. Er glaubt, dass er die zugehörige Einheit nicht mehr finden wird. Vielleicht gibt es sie schon gar nicht mehr..Brief
14.02.1945Front bei Wischgau nach Brandenburghandgeschriebener Brief in nahezu unleserlicher SchriftPaul Gränzer hat Angst um seine Angehörigen zu Hause, da er keine Nachrichten mehr erhalten kann, weil er den Kontakt zu seiner Truppe verloren hat. Er war bereits mit seiner Gruppe zwei mal von sowjetischen Truppen eingeschlossen und konnte immer wieder entkommen. Auch, wenn er gegen Ende des Briefes von dem Endsieg spricht, scheint er nicht zu erwarten, dass er jemals nach Hause kommen wird, denn der Führer hat weiteren Rückzug verboten.Brief
08.02.1946Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Handschrift, besser lesbar wegen der ZensurvorschriftPostkartenvordruck des Roten Kreuzes. Fast genau ein Jahr nach dem letzten Schreiben kann Paul Gränzer erstmals ein Lebenszeichen durch das Internationale Rote Kreuz senden.Karte
13.09.1946Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Handschrift, besser lesbar wegen der Zensurvorschriftsowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. Paul bestätigt mit wenigen Worten nur, den Erhalt eines Briefes und dass es ihm gut ginge.Karte
06.10.1946Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Handschrift, besser lesbar wegen der Zensurvorschriftsowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. Paul bestätigt mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge.Karte
22.10.1946Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Handschrift, besser lesbar wegen der Zensurvorschriftsowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. Paul bestätigt mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge und dass sich die Kriegsgefangenen über die Todesurteile im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess freuen.Karte
04.11.1946Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Handschrift, besser lesbar wegen der Zensurvorschriftsowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. Paul bestätigt mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge. Der Text ist bis auf dem Weihnachtswunsch anstelle der Freude über die Nürnberger Prozesse eine Wiederholung der Karte vom 22.10.1946Karte
04.12.1946 - 13.2.1947Sowjetisches Kriegsgefangenenlager relativ nichtssagende, nahezu identische Inhalte, ev. wegen Zensursowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. In 3 Postkarten bestätigt Paul mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge. DIe letzte Karte ist mit Aufforderung, die SED zu unterstützen.Karte
21.03. - 16.6.1947Sowjetisches Kriegsgefangenenlager relativ nichtssagende, nahezu identische Inhalte, ev. wegen Zensursowjetischer Postkartenvordruck für Kriegsgefangene. In 3 Postkarten bestätigt Paul mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge und er das gleiche von seinen Angehörigen hofft. Er bittet sie, ihm so oft wie möglich zu schreiben.Karten
13.07. - 19.10.1947Sowjetisches Kriegsgefangenenlager relativ nichtssagende, nahezu identische Inhalte, ev. wegen ZensurPostkartenvordruck des internationalen Roten Kreuzes für Kriegsgefangene. Ausgenommen eines Geburtstagsgrußes ist der Inhalt nahezu identisch aller Karten aus der Gefangenschaft. Er bestätigt mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge und er das gleiche von seinen Angehörigen hofft.Karten
20.11. - 15.12.1947Sowjetisches Kriegsgefangenenlager relativ nichtssagende, nahezu identische Inhalte, ev. wegen ZensurPostkartenvordruck des internationalen Roten Kreuzes für Kriegsgefangene. Ausgenommen des Weihnachtsbezuges ist der Inhalt nahezu identisch aller Karten aus der Gefangenschaft. Er bestätigt mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge und er das gleiche von seinen Angehörigen hofft.Karten
08.01. - 10.04.1948Sowjetisches Kriegsgefangenenlager Er bestätigt wie immer mit wenigen Worten nur, dass es ihm gut ginge und er das gleiche von seinen Angehörigen hofft. Aber er hofft nun auch auf Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und in der Tat endet seine Korrespondens. Womöglich wurde er kurz nach der letzten Karte entlassen.Karten


© Horst Decker

Fortsetzung folgt