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Der Dichter Erich Hempe befindet sich in Polen, in der Umgebung von Radom oder dort selbst. Hier hat er kürzlich Lieselotte Hensel kennengelernt, die in der Wehrmachts Kommandantur Radom beschäftigt ist.


O.U., den 2. Mai 1942
Mein kleines Hens'chen!
          Während Du nun recht bald bei Mutti
angelangt sein wirst, zwingt mich die Sehnsucht,
die Feder in die Hand zu nehmen. Wie dankbar bin
ich dir doch, daß Du mir noch kurz vor dem Abschied
Dein schönes Photo gegeben hast. Fiel mir auch das
Scheiden von Dir nicht allzu schwer, denn erstens war
die Zeit dazu nicht vorhanden und zweitens tröstete mich
das Bewußsein Deiner nur kurzen Abwesenheit, so
fühlte ich doch als der Zug den Bahnsteig verließ,
was Du kleines Kücken mir bedeutest. Wenn ich auch
mit meinen Gefühlen zu Dir vor der Öffentlichkeit zu=
rückhaltend bin, so wirst Du mir doch glauben, daß
sie deshalb nicht minder tief und herzlich sind.

Ich will daher auch nicht von Treue sprechen.
Denn wer diese Veranlagung nicht besitzt, dem hel=
fen auch schöne Worte nicht. So möchte ich Dir
mein liebes Hens'chen nur einen Rat geben.
Suche in der kurzen Zeit Deines Urlaubs das Vergnügen
wo Du es findest, sei fröhlich und heiter.
Mein erster Blick jedoch morgens beim Waschen
und mein letzter abends beim Verlöschen des Lichtes,
gilt Deinem Bild.
          In ungeduldiger Erwartung
          unseres Wiedersehens
          grüßt Dich recht herzlich
                    Dein
                              Erich
P.S. Die herzlichsten Grüße an
Komtesse Dähn

wahrscheinlich gehört zu diesem Brief folgendes undatiertes Gedicht

Henschen, Deine Augensterne
glänzen wie ein Diamant
und ich sehe sie so gerne,
gerne wie mein Heimatland.

Sie sind wie der Seele Spiegel,
die so lauter ist und rein,
wirken wie der Treue Siegel,
hell und klar wie Edelstein.

Und muss ich von Dir scheiden,
wird mir das Herz so leer.
Ein Trost sei Dir mein Leiden,
ich muss es tun, wird`s mir auch schwer.

Gern möchte ich Dich binden
an mich, doch darf ich's nicht,
dass ich kein Glück kann finden,
ist Schicksal, was mich jetzt zerbricht.

Und sterbe ich einst einsam,
kein Glück ich jemals fand,
dann möchte ich gemeinsam
mit Dir ins's ferne Land.

© Horst Decker