Brief vom Luftwaffenleutnant von Paris an Ehefrau in Werneuchen

O.U.d. 30.4.1944

Mein geliebtes gutes Pummelchen!
Habe vielen Dank für Deinen lieben Brief
vom 21., den ich gestern erhielt. Ich war
ja so glücklich endlich wieder einmal Post
von Dir zu haben, mein Mädchen. Ein
Brief von meinem Pummelchen. Es war
eine herrliche Wochenendfreude, die Du
mir da gemacht hast. Oh, wie hast
Du Dich verändert, mein Mädel: Du stehst
spätestens um 08:30 auf?! Ja, siehst Du,
das hat die Natur weise eingerichtet: So
gewöhnst Du Dich dann schon an das frühe
Aufstehen, wenn unser Pummelchen erst da

ist Warum ist es nicht gut, mein Mädel,
wenn man so lange im Bett liegt und so
nachdenkt. Ich wünschte, ich hätte Zeit dazu.
Warum möchtest Du das nicht machen? Ja,
das stimmt, mein Mädel, zu zweit ist
es bedeutend schöner, aber nur, wenn ich
mit Dir zusammen im Bett liege. Du,
das kannst Du mir glauben, meine Auf-
passerolle über die beiden Französinnen
paßt mir gar nicht mehr so. Auf Deutsch,
sie hängt mir zum Halse raus. Von
"jungen hübschen Damen", wie Du da so
schön sagst, kann da kaum die Rede sein,
aber das soll ja im Allgemeinem Geschmacks-

sache sein! Vom "Spaßmachen" kann da über-
haupt nicht die Rede sein. Im Grunde ge-
nommen kümmere ich mich recht herzlich
wenig um die beiden, denn meistens bin
ich froh, wenn ich am Abend Feierabend
habe. Ich bin dann so müde, daß ich
Dir ja auch nicht mehr, wie früher, am
Abend schreibe, sondern immer erst am
nächsten Mittag, da die Post ja doch erst am
nächsten Abend von hier weggeht. Nein, mein
Mädel, da brauchst Du wirklich keine
Angst zu haben, daß es einmal so weit
kommt, daß eine von denen meine Freundin wird.
Ich habe doch mein Pummelchen! Das ist doch

meine Frau, Freundin, Geliebte und Kamerad
zugleich - und es ist doch herrlich schön
so und soll auch immer so bleiben! Du brauchst
wirklich keine Angst zu haben und Dir brauch
auch nicht komisch zu Mute zu sein: Ich
habe Dich doch so lieb. Du weißt doch, daß
Du mein ein und alles auf der Welt bist,
daß ich nur für Dich alleine lebe! Ich
habe Dich lieb, über alles in der Welt. -
Sag mal, meinst Du wirklich, ich habe
den ganzen lieben langen Tag nichts
anderes zu tun, als nur mit den beiden
Frauen zusammen zu sein? Mädel, ich
bin manchmal froh, wenn ich am Tage

so viel Zeit habe, um Dir einen Brief zu
schreiben. Ich treibe mich ja den größten Teil
des Tages im Gelände oder auf dem Exerzierplatz
rum. Und Sonntags- Nachmittag suche ich mir
ein neues Gelände für den kommenden Dienst
in der Woche aus. So wie damals, als Du hier
warst, ist es jetzt nicht mehr! - Nun
bestelle doch auch bitte Papa ein schönen
Gruß und meinen herzlichsten Glückwunsch
für die Auszeichnung, die er bekommen hat,
und ich habe auf sein Wohl gestern Abend
dafür noch ein paar Kognac getrunken, denn
ich meine, so etwas muß ja gefeiert werden!
Aber Mädchen, natürlich waren die

beiden Frauen dabei, als Abschied gefeiert wurde.
Ich wollte es Dir erst nicht schreiben, denn
was sich da abgespielt hat, daß ist zu toll!
Weißt Du, wo ich geschlafen habe! In meiner
Küche, auf dem Strohsack! Beide Betten
waren belegt. Gott sei Dank habe ich tief und
fest geschlafen, so daß ich nichts gehört habe.
Ja, es sind schon dolle Umstände hier, aber ist
eben Frankreich! Nein, mein Mädel, die
Kopfschmerzen habe ich nicht mehr, sie
sind Gott sei Dank vorbei. Hoffentlich kann
ich auch in 4 Monaten auf Urlaub kommen,
mein Mädel, hoffentlich! Sag mal, was stellst
Du bloß für komische Fragen. Es ist mir immer

als wenn Du denkst, daß ich Dich nicht mehr
lieb habe! Und wenn ich am Morgen komme,
und wenn ich am Abend wieder fahren muß, so komme
ich doch selbstverständlich, wenn ich Sonder-
urlaub bekommen kann! Das ist doch gar keine
Frage, mein Pummelchen. Du tust ja geradezu
so, als ob ich nur widerwillig auf Urlaub
kommen würde! Was denn, mein Mädel, hast
Du Dir denn die Haare so kurz schneiden
lassen? Ich habe doch lange Haare so
gerne, mein Mädel, das weißt Du doch.
Gestern Abend war ich nun im französischen
Kino. Es gab den Film "Auf Wiedersehn,
Franziska", auf französisch natürlich. Heute,

es ist ja nun Sonntag, stand ich erst um 08:00
Uhr auf. Von 04:00 - 11:00 Uhr hatte ich dann
Sport. Es war sehr schön, zu Mal das Wetter
sehr schön ist. Jetzt am Nachmittag will ich,
sei nicht erstaunt, in die Kirche gehen. Um 15:00
Uhr ist deutscher protestantischer Gottesdienst. Ich
will da hingehen. So, mein Mädchen, nimm
nun für heute viele Grüße und einen
langen Kuß - den bekommt die Rose! -
von Deinem, Dich immer lieb habenden
glücklichen Spatz

© Horst Decker


     


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