Brief von in Paris stationierter Wehrmachtshelferin an Freund im Fliegerhorst Strausberg

O.U. 22.IV.43

Mein geliebter herzensguter Spatz!
Hab recht herzlichen Dank für Deine lieben Briefe vom
16., 17., 18. und 19., zwei habe ich gestern bekommen und zwei
heute, leider kam ich gestern nicht mehr dazu, Dir zu
schreiben, aber heute will ich Dir dafür all Deine schönen
und lieben Briefe beantworten die mir immer so viel
Freude machen. Ostern hast Du also Dienst. Ja, Spätzchen,
was sollst Du auch ohne mich machen. Ich habe Ostern
auch Dienst, am 1. Feiertag abends und am 2. Feiertag
nachmittags. Ich fahre Ostern sicher nicht nach Paris.
Höchstens nachmittags ins Kino. Wir dürfen vormittags
nicht mehr nach Paris,
erst ab 13.30 Uhr. Warum, das
weiß ich nicht. Ach mein Spatz, wenn nur alles mit
unserem Urlaub klappen würde. Ich würde mich so freuen.
Ja mein Spätzchen, einmal mit Dir ganz allein. Aber
es ist ja zu schön. Wenn alles klappt, dann fahren wir
am 6. ja mein Spatz? Ich muß mir ja auch meine Sachen
ein bißchen bügeln. Und wie lange bleiben wir? Die Hälfte
meines Urlaubs mein Spatz, nicht wahr? Ich kann die
Zeit bis zum 4. Mai kaum erwarten. Wir haben uns ja
dann so viel zu erzählen. Noch 11 Tage, dann fahre
ich von hier weg. Der Zug fährt um 20.40 Uhr vom Ost-
Bahnhof in Paris ab. Du kannst Dich ja nochmal genau
erkundigen, wann der Zug in Berlin ankommt. - Du hast
jetzt so viel Arbeit mein Spatz, aber es ist gut, dann
wird Dir die Zeit nicht zu lang. Aber vergesse bitte nicht
das Schlafen dabei. Fährst Du am 2. Feiertag nach

Werneuchen ? - Sag mal mein Spatz, Du schreibst mir
so spannende Briefe. Was sind denn die drei Entschei-
dungen? 1. das weiß ich, das ist unser Urlaub, aber die
Zweite, die Dich angeht, soll sich da entscheiden, ob Du
nach Russland kommst oder nicht? Und die dritte?
Willst Du mich zurückholen mein geliebter Spatz? Ich
weiß ja nicht, ob ich richtig denke, aber mir fällt nichts
anderes ein. Ich weiß nicht mein Spatz, ob ich mich
darüber freuen soll oder nicht, es ist alles so komisch.
Ich weiß selbst nicht was es ist. Aber wenn ich erst
wieder bei Dir bin, dann ist sicher alles wieder gut.-
Nein mein Spätzchen ich bin Dir nicht böse, wenn Du
nun mal nicht so viel schreiben kannst. Ich weiß ja,
wenn Du Zeit hast, schreibst Du bestimmt. Ach mein
Spatz, Du weißt ja garnicht wie lieb ich Dich habe. -
Sag mal, wie komisch schreibst Du denn, im Kabuff auf
dem Bett und dann noch auf der Erde? Ja haben wir
denn keinen Tisch mehr zu Hause? Oder hast Du Dich
etwa mit Mütterchen gezankt? Na das sind ja Zustände,
da muß ich wohl erst aufräumen wenn ich komme. Sorge
mir nur dafür, das mein Kabuff wieder so ist wie es war,
wenn ich komme. Ich habe es ja Mütterchen auch schon
geschrieben, aber es kann sein daß sie es vergißt. - Deine
Nase ist nun wieder heil, das freut mich. Du tust ja
doch das Gegenteil von dem was ich sage. Ich habe
gesagt, Du sollst nicht mehr anrufen, und was schreibst
Du? daß Du anrufen willst. Mach mir keinen Kummer
mein Spätzchen. Na warte mein Spatz, wenn ich auf
Urlaub komme, dann hast Du nichts zu lachen.
Dann wirst Du übers Knie gelegt. Du brauchst garnicht

lachen, was meinst Du, was ich für Kräfte habe. Ja, da
staunst Du. Ja mein Spatz, drücke mich nur ruhig tot,
dann bin ich immer da und Du kannst wenigstens mal
mein Grab besuchen. Aber wollen wir keinen Spaß damit
machen. - Ja mein Spatz bei uns ist das Wetter augen-
blicklich auch nicht so besonders. Ich glaube ich werde
auch wieder blaß. Dann sind wir wenigstens zwei Küchen-
handtücher. Wie kommst Du übrigens zu diesem Ausdruck?
Komisch, habe ich noch nie gehört. - Den Unterwasserfilm
von Hans Hass habe ich auch schon gesehen. Vor 4 Wochen,
na in Werneuchen kommt ja alles so spät. Den Reklame-
film für Ln.Helf. habe ich auch noch nicht gesehen. Wer weiß
was die damit gemacht haben. Na von mir aus, ich
kenne den Laden innen und außen. - Hab keine Angst
mein Spätzchen, den Zug versäume ich bestimmt nicht.
Wenn ich auch sonst immer rennen muß, das ich ja
zur Zeit ankomme, aber da bestimmt nicht. Ostern
fange ich schon an zu packen, wenn ich dann auch wieder
alles auspacken muß, das macht nichts. Es sieht dann
so nach Reise aus. - Die Mäuse in unserem Zimmer höre
ich schon garnicht mehr, vielleicht schlafe ich so fest, oder
sie haben sich verzogen. Ist ja auch vollkommen gleich.
Jedenfalls knabbern sie mir jetzt nichts mehr an. Ich
habe ein Fach im Schrank ausfindig gemacht wo sie nicht
ran kommen. - Heute hatten wir wieder Belehrung. Ich
kann Dir sagen, sturer wie der H.Funk, kann kein Dienst
mehr sein. Wir fragen uns schon, womit wir das verdient
haben. Es ist uns sogar das Sprechen im Dienst verboten
worden, von schreiben und lesen kann keine Rede
sein. Nur immer kurbeln und nochmal kurbeln.

Du brauchst Dich garnicht wundern, wnn ich manchmal
kein Wort spreche. man wird hier mit der Zeit zu faul
zum sprechen. Aber mein Spatz wird schon dafür sorgen
daß mein Mund nicht fünf Minuten still steht,-
Es ist jetzt 21.00 Uhr mein Spätzchen. ich werde jetzt
baden und dann schlafen gehen. Morgen heißt's früh
aufstehen. Eigentlich ist es ja nicht früh, aber wir sind
verwöhnt. Du bist bestimmt um 07.00 Uhr schon auf
ja mein Spätzchen. - Ich sitze im Unterhaltungsraum.
Es ist so eine schöne Musik im Radio. Gerade haben
sie gespielt 'Die Nacht ist nicht allein zu schlafen da",
stimmts mein Spätzchen? Sicher. Wenn ich nachher
im Bett liege, werde ich wieder sehen was es Neues in
Berlin gibt. Ich habe ja heute auch eine Zeitung von
Dir bekommen, vielen Dank mein Spatz.- Nun sende
ich Dir die herrlichsten Ostergrüße, verlebe die Feiertage
recht gut und suche nicht zu viel Ostereier. Hoffentlich
kommt der Brief noch zur rechten Zeit. Für heute
tausend herzliche Grüße und nochmehr Küsse von
Deinem Dich ja sooo lieb habenden

treuen Pummelchen.

© Horst Decker


     


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