Politische Verfolgung im 3. Reich - Beispiel Ehepaar Hildegard und Oskar Kramer

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Wir geben hier nur die Fakten wieder, die wir auf Grund unserer Dokumente erkennen können. Das genaue Schicksal des Ehepaars ist uns unbekannt.

1. Oskar Kramer wurde am 2.Oktober 1898 in Magdeburg () geboren und schlug als junger Mann die Journalistenlaufbahn ein.

2. Hildegard Weidemann wurde am 29.Mai 1902 in Tangermünde () geboren, war entweder ohne spezielle Berufsausbildung oder aber bereits Journalistin, als sie Oskar Kramer kennenlernte und heiratete.

3. Zumindest Oskar Kramer distanzierte sich früh von der NS-Ideologie und wurde bereits am 27. November 1937 zu 3 Jahren und 3 Monaten Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. (Siehe Schreiben vom 18.Aug.1944 () - Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof)

4. Wie aus einem Schreiben der Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof vom 12. Mai 1944 () hervorgeht, war Oskar Kramer bereits vor dem 2. Mai 1944 erneut wegen Vorbereitung zum Hochverrat im Zuchthaus Butzbach/Hessen interniert.

5. Am 2. August 1944 beantragte Hildegard Kramer beim Reichsgerichtshof, dass ihr wegen Vorbereitung zum Hochverrat inhaftierter Mann die Möglichkeit erhält, seine 'Schuld' durch Verschickung an die Front durch 'Feindbewährung' zu sühnen.
Das hätte wahrscheinlich den Einsatz im Strafbataillon 999 oder gar SS-Sonderkommando Dirlewanger bedeutet. Verurteilte erhielten hier praktisch die alternative Möglichkeit, anstelle einer schweren Zuchthausstrafe oder gar Hinrichtung, an Brennpunkten der Frontverteidigung eingesetzt zu werden. Das kam zwar im hohen Maße einem Todesurteil gleich, bot aber auch die Chance des Überlebens.
Grund für den Antrag war wahrscheinlich das am 20. Juni 1944 erfolgte Attentat auf Adolf Hitler durch die Gruppe Graf Stauffenbergs, was zu einer Welle von Verhaftungen und auch Hinrichtungen politischer Gegner führte, und bereits inhaftierte NS-Gegner in höchste Todesgefahr versetzte.
Dieser Antrag wurde am 18. August 1944 () unter Hinweis auf die bereits frühere einschlägigen Verurteilung abgelehnt.

6. Unklar ist, wie das Ehepaar nach Kriegsende wieder zusammengefunden hat. Am 2. November 1945 () erhielt Hildegard Kramer durch den Polizeipräsidenten Magdeburg, wo sie einen festen Wohnsitz hatte, eine Registrierkarte.
Am 8. Juli 1946 wurde sie mit dieser im West-Deutschen Flüchtlings-Durchgangslager Goslar erfasst.
Unter Umständen glaubte sie damals, dass ihr Ehemann, der eventuell bei Kriegsende aus dem Zuchthaus Butzbach entlassen worden war, in West-Deutschland, der US-Besatzungszone zu finden wäre. Offenbar kehrte sie wegen anders lautender Informationen kurz darauf wieder in die Sowjetische Besatzungszone zurück.

7. Oskar Kramer reiste offenbar nach Entlassung aus dem Zuchthaus und ,so bald es ihm möglich war, nach Magdeburg zurück und meldete sich spätestens am 19.08.1945 beim dortigen Arbeitsamt () an. Eine solche Anmeldung war in der Nachkriegszeit alleine deshalb zwingend, weil man ohne dem Nachweis einer Anmeldung beim Arbeitsamt keine Lebensmittelmarken erhielt und daher wegen der umfassenden Rationierung von Lebensmitteln, Bekleidung, Brennstoffen etc. keinerlei Existenzgrundlage hatte, außer man hätte über Geld verfügt, um am 'Schwarzen Markt' teilhaben zu können, an dem praktisch alles illegal zu kaufen gab.
Mit der Meldung beim Arbeitsamt war die Pflicht verbunden, so lange für allgemeine Arbeits- und Aufräumdienste zur Verfügung stehen, bis man einen Arbeitsplatz gefunden hatte.
Diese Arbeitspflicht war übrigens keine Nachkriegserfindung angesichts der deutschen Trümmerlandschaften, sondern basierte auf einem Gesetzs vom 13.Febr.1939, das wie die meisten Gesetze der Vor- und Kriegszeit, erst einmal beibehalten wurden, um keine Regelungs- und Versorgungslücken zu verursachen.(siehe Dokuent eines Lehreres vom Okt. 1945 auf Formblatt 253 Nov.1944) ()
Neu war, dass Personen, die aktive Rollen in einer NS-Organisation innehatten, zu Sühnezwecken eine erweitere Pflicht zur Teilnahme an Aufräumdiensten besaßen.
Das traf für Oskar Kramer allerdings nicht zu. Im Gegenteil, Opfer der NS-Zeit erhielten unter Umständen Vergünstigungen, wie Lebensmittelzulagen und erheblich bessere Arbeitsmarkt-Chancen. Das galt insbesondes in der SBZ (Sowjetische-Besatzungs-Zone, ab 1949 DDR), aber auch in den Westdeutschen Besatzungszonen. Politische NS-Verfolgte, vor allem Mitglieder der ehemaligen KPD, Kommunistischen Partei Deutschlands, wuren in hohem Maße von den neuen Verwaltungen übernommen. Im Westen wurde diese Entwicklung allerdings wegen des sich abzeichnenden Ost-West-Konfliktes schon 1946 wieder gestoppt und überwiegend rückgängig gemacht.
Ab Februar 1946 () wurde Oskar Kramer vom Rundfunk Magdeburg angestellt und dadurch auf Dauer von allgemeinen Pflichtarbeiten befreit. Ab Juni 1946 fehlen weitere Angaben in der Arbeitsnachweiskarte, wahrscheinlich wurde er ab dieser Zeit von Pflichtarbeiten entbunden.

8. Ein Foto () aus Hadmersleben südwestlich von Magdeburg vom März 1946 zeigt Hildegard Kramer - nahezu symbolisch - vor einem Holzzaun eines Gartens stehend. Auf der Rückseite () hat sie notiert: 'März 1946, aufgenommen gegen Ende des Monats auf einer Dienstreise als Reporterin des Rundfunks in Hadmersleben, eine Woche vor meiner Verhaftung durch die Russen, als ich noch restlos glücklich war, für meinen Mann und Mitarbeiter, Hille Kramer'.

9. Am 10.April 1946 () erhielt Oskar Kramer einen zweisprachigen (deutsch/russisch) Ausweis der Stadt Magdeburg, der ihn als Intendant des Bezirkssenders Magdeburger Rundfunk bestätigt.

10. Eine Fotopostkarte () zeigt das Ehepaar Kramer an einer Saline entlang spazieren. Rückseitig ist es mit Bleistift datiert 21.4.1957. Hier befindet sich auch ein Fotografenstempel aus Bad Orb.

Weitere Einzelheiten sind nicht recherchiert. 11. Ein Foto () aus dem Besitz von Hildegard Kramer zeigt Otto Hobolem (Nachname nicht 100% erkennbar), Lehrer in Thale, mit einer rückseitigen Widmung vom 6. Juli 1902, dem Tauftag von Hildegard. In dieser bezeichnet sich Otto Hobolem als väterlicher Freund.


© Horst Decker




Verfolgung im Dritten Reich

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