profilm.de

 


Kriegspredigt Lic. Althaus, Lodz, 17. Februar 1918



Mit Gott durch Kampf zum Sieg

Bis aufs Blut

Hebr. 12,3: Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde.
"Bis aufs Blut" - die drei Wörtlein möchte ich heute predigen. "Bis aufs Blut" - wir haben den bitteren Ernst dieser Worte in den letzten dreieinhalb Jahren wahrhaftig kennen gelernt. "Bis zum Ende", so ist es immer wieder aus den Hauptstädten unserer erbitterten Feinde im Westen zu uns geklungen.
Und oft war es, als ständen die Wilderer rings um das edle Wild und warteten auf sein Ausbluten. Wir Deutschen sind freilich zu Gott gewiß, daß sie vergeblich warten. Aber nie haben wir über den furchtbaren Ernst jender Losung "bis aufs Blut" lächeln können. Wie Schauer packte sie die Seele.
War es nicht, als hätte der ewige Gott selber über uns gesprochen: "Bis aufs Blut"? Wie oft sind heiße Gebete zu ihm aufgestiegen aus unzähligen Herzen: Halt ein, halt ein, es ist genug!

"Dämm' ab die großen Fluten,
Er hat genug getost
Mach' still das tiefe Bluten,
Du, aller Welten Trost."

Und dann war es, als ob der ewige, heilige, unerforschliche Gott das Haupt in schwerem Ernste schüttelte: Es ist nicht genug, nicht genug!

"Ich sehe so viele, denen das Grauen
Noch fremd ist. Ich sehe lächelnde Frauen,
Die wissen noch immer nicht, was ich will,
Die gehn' noch nicht klaren Auges und still
Vorüber an Tand und an Nichtigkeiten,
Die blieben kleinlich in großen Zeiten."

Wir hörten Gottes Stimme mit innerem Erleben: Du kannst noch mehr hergeben! Weist du denn schon ganz, was Opfern heißt? Und wir ahnten, daß es noch härter werden, daß die Trennungen und Abschiede noch mehr ans Blut gehen konnten. Wir vergessen die Stunden nicht, in denen wir flehten; "Herr, erbarm dich unser; du siehst, wieviele schon am Ende ihrer Kraft sind; für sie leben wir und für uns!" - und dann ward uns die herbe Antwort: "Noch nicht bis aufs Blut!" -
"Bis aufs Blut" - darin liegt der ganze Ernst unserer Kriegsjahre. Aber die Worte rühren zugleich an das Alleredelste in unserem Leben. Es gibt eigentlich nur einen entscheidenden Unterschied zwischen den Menschen; das ist der zwischen solchen, denen nichts bis aufs Blut geht und denen, die diese drei Wörtlein kennen - "bis aufs Blut." Wir wissen alle, wie schön geselliger Umgang mit anderen Menschen ist; aber je älter und reifer wir werden, desto deutlicher spüren wir eine bedenkliche Gefahr solches geselligen Verkehrs. Wir reden viel miteinander; aber es ist kein Blut darin, wir gehen in Hüllen aneinander vorbei; suchen und finden keine innerste Fühlung, wie blutarm ist unsere Geselligkeit! Wie vielen Menschen begegnen wir, bei denen wir den Eindruck haben - diese ganze Oberflächlichkeit ist das Verhängnis ihres Lebens. Wenn doch diesem Menschen einmal der Panzer um seine Seele gesprengt würde, daß man den Punkt erreicht, wo ihm etwas ins Blut geht, daß er selber doch in seinen Verkehr ein wenig Blut fließen ließe!
Es gibt keine rechte Freundschaft, über der nicht diese drei Worte ständen: Bis aufs Blut. Unsere deutschen Vorväter hatten bei Bundesschließungen eine ernste, tiefe Sitte. Sie hielten ihre Arme zusammen und ritzten sich mit einem Messer, bis das Blut kam und zusammenfloss. Was hat das für einen Sinn?
Es bedeutet, wo Menschen wirklich zusammenkommen wollen, da muß in ihrem Verkehr Herzblut fließen. Die ganze Seele muß eingesetzt werden bis in die Tiefe muß es gehen in völliger Wahrhaftigkeit. Menschen, die einander nicht bis zum Letzten beichten können, sind zu reifer Gemeinschaft nicht fähig. Schließlich lohnt es sich überhaupt nur mit solchen Menschen zusammenzukommen, über deren Leben geschrieben steht: "Bis aufs Blut."
Das erst ist Leben im Vollsinne, wenn unsere Erlebnisse uns irgendwie bis aufs Blut gehen. Wir schauen heute schmerzlich bewegt auf manchen Tag zurück, den wir erlebten. Es tat uns weh, und doch spüren wir hintennach: da war Gott uns nahe; denn der Tag ging bis aufs Blut. Soll ich die Tage dieses Krieges aufzählen, die uns bis aufs Blut gingen? Ach, es waren zum Teil bitterschwere Tage! Der Tag, da wir Abschied nehmen mußten auf dem Bahnhof - ein Tag bis aufs Blut; die Stunde, in der die bittere Kunde aus dem Felde uns erreichte - eine Stunde bis aufs Blut. Aber auch der Tag, da das Wort "Vaterland" zum ersten Mal den Panzer der Gleichgültigkeit um unsere Seele durchschlug und unser Herz brennen machte; der Tag, an dem Gott uns ein Wiedersehen schenkte, von dessen Herrlichkeit die Friedenszeit nichts ahnte - das alles waren Tage bis aufs Blut. Wir möchten sie in unserem Leben nicht missen. Wir ahnen von fern, daß Gott in ihnen bei uns anklopft. Wir wissen ja heute erst, was Harren heißt, was Hoffen ist, was Schmerz bedeutet, was Freude sein kann - alle diese Worte waren uns früher wie Schatten, jetzt haben sie Blut getrunken. Heute wissen wir erst, was Danken heißt, aber auch was Beten und Flehen ist. An jedem Tage opfern die meisten unter uns ein Tröpflein Blut; und darum können wir über diese schweren Kriegszeiten doch ein Großes sagen: sie haben uns gelehrt, von ganzem Herzen, bis aufs Blut zu leben.
Heute gilt nur das, worin ein Tröpflein Blut lebt. Täglich tropft auf die Erde das beste Blut unserer Brüder. Da ist es wohl billig, daß auch von uns hier hinten in allen, was wir heute leben, Blut gefordert wird. Nietzsche hat einmal gesagt: "Von allem Geschriebenem liebe ich nur das, was jemand mit seinem Blute geschrieben hat." Heute ist alles Gedruckte, Geschriebene und Gesprochene zum Ekel geworden, in dem nicht Blut tropft. Wir ertragen es einfach nicht. Nicht das Geschreibsel der Kriegsberichterstatter steht uns mehr hoch, sondern ein schlichter Feldpostbrief, mit Blut geschrieben. Dafür wollen wir sorgen, daß in allem, was wir heute öffentlich reden müssen, ein Tröpflein Blut sei,
Tausende von Bücher bedeuten uns in dieser Zeit nichts. Es ist kein Blut darin. Aber ein Buch weiß ich, das ist von Anfang bis zu Ende mit Blut geschrieben, mit dem Blute heißen, persönlichen Erlebens: das Neue Testament. Möchtet ihr doch spüren, was an jedem Jesusworte, in jedem Paulusbriefe so unmittelbar sich aufdrängt: hier tropft heißes Blut! Ihr würdet euer Neues Testament hervornehmen, ihr würdet spüren, daß Jesus der Mann für unsere Tage ist, denn nur der kann einer blutenden Zeit helfen, der selber ein Blutender ist, in allem was er sagt und tut.
"Bis aufs Blut." Ohne diese drei Wörtlein kann man unmöglich ein frommer Mensch werden. Es gibt Leute, die sich von ihren Erlebnissen nicht anfechten lassen, sie möchten nie aus der Ruhe kommen, sie können sich gar nicht mehr entsetzen über irgend etwas - über die Not dieser Zeit, über die Macht des Bösen in der Welt, sie können nicht mehr leiden unter sich selbst. Sie nehmen das Leben wie es ist und sich selbst wie sie sind. Die schwere Zeit mag ihnen wohl an den Geldbeutel und daher, wie man sagt, an die Nerven gehen, an die Bequemlichkeit, aber nicht bis aufs Blut. Selig aber die heißen Herzen, die da leiden können, denen eines Kindes Not und eines Mädchens Schande das Herz im Leibe wund macht; die vor allen Dingen mit herben Schmerzen unter sich selbst leiden können und dem nicht ausweichen. Selig die Blutenden, sie werden Gott finden!
Und wenn Gott uns dann begegnet in seiner abgrundtiefen Barmherzigkeit - alles liegt dann daran, daß seine unbegreifliche Huld uns wirklich einmal aus dem Gleichgewicht bringt. Danach frage ich mich: Hat mir schon einmal das Herz geklopft, habe ich schon einmal aus der Tiefe gestaunt, hat es mich schon einmal mit dem Schauer der Seligkeit durchfahren, dieses über alle Begriffe Wunderbare, daß der Ewige, der König aller Welten, mich Stäublein und Unreinen zu seinem Kinde geadelt hat, daß ich Armer vor ihm gelte, daß ich mich zu einer Gabe für Gott weihen darf? Auch, daß wir aus allem Trott der Gleichgültigkeit einmal herauskommen, daß Blut in unserem Glauben und Singen wäre; daß uns das Herz einmal in heißem ergriffenen Danke brennen wollte, wenn der Name Jesu, in dem aller Glanz und alle Gnade Gottes zuhauf ist, genannt wird!
Wenn man im alten Israel den Bund mit Gott machte, dann ritzte man wohl sich selbst, bis das Blut floß. Der Bund mit Gott war eine heilige, ernste Sache, die bis aufs Blut gehen sollte. Auch unser Bund mit Gott muß bis aufs Blut gehen. Bis aufs Blut wollen wir seinem heiligen Willen verschworen sein. Wer erst einmal erkannt hat, was es heißt: heilig ist Gott, wer erst einmal gespürt hat, was das in sich schließt: unserer Seele Seligkeit - der lernt nun kämpfen bis aufs Blut um die Gewißheit Gottes, um ein tapferes Aufrechtstehen, um Reinheit und Zucht seines Herzens. "Ihr habt noch nicht widerstanden bis aufs Blut über den Kämpfen wider die Sünde!" Daß doch unter uns die Zahl der Schlaffen abnähme und die Zahl der heißen Herzen, die da ringen wollen von ganzer Seele, sich mehrte! An der Schwelle der Passionszeit stehen wir. Das teure Jesusblut hat uns zu Gott gebracht. Sollte es nicht auch Blut kosten, daß wir bei ihm bleiben? Alles Edle im Leben kostet Blut; wir müssen uns auch unsere Seele Frieden und Genesung ein wenig Blut kosten lassen. Ernster denn je laßt uns anfangen, uns bis aufs Blut anzustemmen gegen alles, was uns von Jesu Weg abziehen will. Es gibt Augenblicke in unserem Leben, wo wir nicht mit uns spielen dürfen, wo das leichte Lächeln und das bequeme Sichgehenlassen Totsünde sind. "Bis aufs Blut!"
Das vergossene Blut Christi soll uns diese drei Wörtlein aufs Neue ernst machen.
Selig, die da Blut einsetzen! Wir wollen es nicht achten, wenn man uns sagt: "Ihr seid noch jugendliche Stürmer und Dränger. Lernt nur erst das Leben recht kennen, ihr werdet ruhiger werden und einsehen, daß man Kompromisse schließen muß." Nein, nein, etwas von der heiligen Leidenschaft wollen wir uns hineinretten in die Tage, da wir grau werden; etwas von dem Eifer um Gottes Haus, der eine Menschenseele verzehrend packen kann. Das ist die ewige Jugend, die wir begehren. Eine große Liebe wollen wir uns gönnen, die Liebe bis aufs Blut, zu unserem Herrn Jesus Christus; einen großen Zorn, den Zorn bis aufs Blut wider alle Jämmerlichkeit in uns und um uns; ein großes Mitleid, das Mitleid bis aufs Blut mit den Brüdern und Schwestern aus unserem Volke, die in der Dunkelheit und Dumpfheit der Gottesferne dahinleben; eine große Leidenschaft, die Leidenschaft bis aufs Blut, unserem Könige Jesus Christus die Bahn zu brechen in unserem Volkre, und uns ihm zu heiligen von Tag zu Tag. Nichts wollen wir so fürchten, wie dieses, daß Gott der Herr uns einst sagen müßte: Es gibt in deinem Leben nichts, was du bis aufs Blut geliebt, nichts, wofür du heißen Zorn gehabt hättest.
Bei Gott im Himmel steht ein Krüglein. In das fällt jeder Tropfen Blut, den wir einsetzen und vergießen. Niemand kommt zu Gott, er habe denn geblutet. Selig sind, die da bluten; denn ihrer ist das Himmelreich.
Amen,
Lodz, Gouvernmentspfarrer Lic. Althaus


© Horst Decker



Bücher zum Thema Kirche im Dritten Reich