Sammlung von Goldschmuck, staatliche Begründung

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Zehn Fragen


1. Frage: Warum muß der Goldbestand der Reichsbank gesteigert werden?

1. weil es im öffentlichen Interesse unbedingt erforderlich ist, daß die von der Reichs-
bank ausgegebenen Banknoten möglichst stark mit Gold gedeckt sind, d.h. daß die
Reichsbank als Unterlagen für ihren Notenumlauf einen möglichst großen Goldbestand
in ihren Kassen bereit hält. Je stärker diese Deckung, desto stärker der Kredit der
Reichsbanknote im Inlande und im Auslande. Während des ersten Vierteljahres 1917
hat die Golddeckung durchschnittlich 31,5 v.H. des Notenumlaufs betragen. Da aber
der Notenumlauf unausgesetzt anschwillt, ist eine Verschlechterung des Deckungsver-
hältnisses unausbleiblich, wenn es nicht gelingt, den Goldbestand der Reichsbank ent-
sprechend zu erhöhen. Die Zunahme des Notenumlaufs hat im Durchschnitt des ersten
Vierteljahres 1917 gegen das vorangehende Vierteljahr 679 Millionen Mark betragen.
2. Um den Bezug notwendiger Lebensmittel und Rohstoffe aus dem neutralen Auslande
zu sichern. Die Einfuhr muß, sofern nicht Guthaben im Auslande zur Verfügung
stehen, in Gold bezahlt werden, weil das Ausland Gold verlangt.

2. Frage: Warum verlangt das Ausland für seine Lieferungen an uns
Zahlung in Gold?

Weil alle Kulturvölker ihre Währung auf das Gold begründet haben und das Gold
demzufolge dasjenige Metall ist, welches in der ganzen Welt zum vollen Wert an-
genommen wird.

3. Frage: Warum beschlagnahmt man nicht die noch im Volke vorhandenen
Goldmünzen?

1. Weil die durch die freiwillige Abgabe von Goldmünzen geschaffenen hohen sittlichen
Werte durch Zwangsmaßnahmen beeinträchtigt würden.
2. Weil die Feststellung böswillig verborgener Goldmünzen unmöglich ist.

4. Frage: Warum beschlagnahmt man nicht die Goldsachen in den
Juwelierläden?

Eine solche Beschlagnahme wäre doch nur denkbar und möglich, wenn alle im Lande
vorhandenen Goldsachen in dieser Weise konfisziert würden, gleichgültig ob sie dem
Verkauf dienen, oder im Privatbesitz sich befinden. Und will wirklich jemand ernstlich
das fordern, solange das Vaterland nicht alle diese Goldbestände restlos für seinen
Daseinskampf braucht, solange es noch davon absehen kann, solchen allgemeinen Zwang
zu üben, noch davon absehen kann, auch die Trauringe Lebender und die durch Gene-
rationen aufbewahrten Familienstücke aufzurufen und einzuschmelzen, solange es noch
erwarten kann, die für die Stärkung der Reichsbank und die Sicherheit der Kriegs-
führung erforderlichen Werte wie bei der Goldmünzensammlung so auch hier durch
die freiwillige Tat des deutschen Volkes zu erhalten? Gerade in der Freiwilligkeit
der Hergabe der Goldsachen zum Goldwert liegt der Wert der Tat für den einzelnen,
die Größe auch dieser Goldsammlung des deutschen Volkes und der Eindruck seiner
Stärke, den sie der Welt gibt. Aber jene Frage und jenes Verlangen ist auch wohl
nur ein unklarer Ausdruck für das verständliche Gefühl, daß es ein Widerspruch sei,
wenn die Reichsbank die mit einem Opfer verbundene Hergabe von Goldsachen von
der Bevölkerung verlange und auf der anderen Seite wie in Friedenszeiten - und
das nimmt man an, weil die Juwelierläden noch Schmucksachen feilhalten - größere
Mengen Goldes zur Herstellung von Goldwaren an Goldschmiede und Juweliere
abgibt. Gerade diese Annahme trifft indes nicht zu.

5. Frage: Gibt die Reichsbank noch größere Mengen Goldes zur Herstellung
von Goldwaren an Juweliere und Goldwarenfabriken ab?

Nein. Die Reichsbank hat die Abgabe von Gold schon seit Beginn des Krieges
unablässig eingeschränkt und bei der Aufnahme des Goldankaufs auf einen kleinen
Bruchteil der im Frieden abgegebenen Goldbeträge herabgesetzt. Heute wird Gold
im wesentlichen nur noch an Goldwarenfabriken zur Herstellung von Goldwaren
abgegeben, die an das neutrale Ausland verkauft werden, um uns dort - zwecks
Bezahlung der Einfuhr von Lebensmitteln - Guthaben zu schaffen, die den Wert
des hergegebenen Rohgoldes um ein Mehrfaches übersteigen. Andernfalls wären
wir zu der viel unvorteilhafteren Ausfuhr von Rohgold gezwungen. In ganz geringem
Umfange wird Gold auch zur Anfertigung doublierter, vergoldeter oder geringhaltig
goldener Inlandsware abgegeben, um die wenigen Fabriken, welche außerstande
sind, sich auf den Auslandsbedarf einzustellen oder zur Herstellung von Kriegsmaterial
überzugehen, vor dem Erliegen zu bewahren. Nachdem am 8. Februar 1917 ein
Höchstpreis für Altgold festgesetzt und den Fabriken dadurch die Möglichkeit genommen
ist, Altgold aus dem Publikum zu Überpreisen herauszuziehen, ist die Neuherstellung
schwerer, echter Goldwaren für den Inlandsbedarf so gut wie ausgeschlossen.

6. Frage: Könnten wir nicht unseren Goldschmuck der Reichsbank leihweise
überlassen?

Nein, denn
1. verlangt das Bankgesetzt, daß die Unterlage für die umlaufenden Banknoten in Gold
in der Form von Barren oder Münzen besteht;
2. kann der Reichsbank ein Goldschatz, über den sie nicht jederzeit frei und endgültig
verfügen darf, der ihr vielmehr nur hergeliehen ist und wieder abgefordert werden
kann, nichts nützen. Ein solcher Goldschatz wäre ein Scheinbesitz, der die ausgegebenen
Noten nur zum Schein, aber nicht in Wahrheit decken würde;
3. sind Räumlichkeiten für eine sachgemäße Aufbewahrung der Goldsachen nicht vor-
handen und nicht zu beschaffen.

7. Frage: Warum werden Trauringe Lebender von den Goldankaufstellen
nicht angekauft?

Weil die Forderung auf Herausgabe dieses höchsten ethischen Goldguts erst im Augenblicke
der allerdringlichsten Gefahr gestellt werden darf und für diesen Fall nicht eine Ver-
äußerung, sondern nur die unentgeltliche Hingabe der Trauringe in Frage kommen kann.

8. Frage: Warum vermitteln die Goldankaufstellen den Verkauf von
Juwelen im neutralen Auslande, und zwar nur solcher im Werte
von 500 M und mehr?

1. Weil durch die Veräußerung der Juwelen im neutralen Auslande Guthaben geschaffen
werden, aus denen die einzuführenden Lebensmittel bezahlt werden können.
2. Weil das Ausland erfahrungsgemäß nur hochwertige Juwelen und Steine zu erwerben
wünscht.

9. Frage: Haben unser Kaiserhaus und die anderen deutschen Fürstenhäuser
schon Goldschmuck und Juwelen abgeliefert?

Deutsche Bundesfürsten, voran der Kaiser und die Kaiserin sowie der Kronprinz und
die Kronprinzessin, Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen und eine Reihe anderer
Fürstlichkeiten haben dem Vaterlande sehr erhebliche Mengen von Goldsachen und
Juwelen geopfert.

10. Frage: Kann man jemand, der seinen Goldschmuck in dieser Stunde
der Entscheidung dem Vaterlande nicht darbringt, noch einen
vaterlandsliebenden Deutschen nennen?

Nein!

Druck: Otto v. Holten, Berlin C.

Kommentar: es fällt auf, dass hier überwiegend davon geschrieben wird, dass das Reich
das Gold zum Ankauf von Lebensmittel benötigt! Überwiegend wurden die Devisen aller-
dings für Munition, Erz zur Waffenherstellung und Chemikalien für Sprengstoffe verwendet.



© Horst Decker