profilm.de Zeitzeugenberichte Zusammenfassung

Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm unbekanntes
berliner Fräulein


                18. Nov. 1942
Liebe Klärli
        Vielen Dank
für Deine Zeilen vom
10. d.M. . Dann ist
es ja gut, wenn Du
Dir meine Geburtstagswünsche zu
Herzen nehmen willst, außerdem
bin ich einverstanden, daß wir uns
gegenseitig die schlechte Laune ver=
treiben wollen. In dieser Jahreszeit ha=
be ich tatsächlich noch keine Geburtstags=
gratulation erhalten, sie ist aber trotz=
dem mit Dank angenommen. mein
Tauschgesuch mit Pürzel ziehe ich wie=
der zurück, Du hast mir wirklich einen
schlechten Platz angeboten liebes Mädel,
na warte nur!! Bei Deiner Geburtstags=
feier habe ich nur noch gefehlt, be=
sonders wo es wegen Deiner Freundin
eine Doppelfeier war. Was Eure Krank=

heit betrifft, die sich steigernde Albern=
heit, so ist das nicht so schlimm und
heilbar. Ich bin umso ruhiger, ernster
und gesetzter, Gegensätze ziehen sich
an und gleichen sich aus. Ich mache
aber alles mit und hoffentlich finden
wir beide auf unserem Bummel durch
Berlin noch etwas, was wir auf den
Kopf stellen können. Nun kommt
unser romantisches Rendez-Vous an die
Reihe. Ja, ja - denn bei der Post geht's
nicht so schnell, also machen wir
es anders, ganz einfach, ich rufe Dich
an und sage Dir, daß ich da und
da bin und Du holst mich ab. Das
ist natürlich einfach, besonders wo
wir uns doch schon soooo lange kennen.
Hoffentlich schießt Amor uns nicht
gleich einen Pfeil durch's Herz, denn
Du mußt jeden Tag in's Geschäft

und für mich ist der Krieg hier noch
nicht aus. Aber - unser Glücksstern
wird's schon machen.
Was mich betrifft, so habe ich hier
im Sender eine gemütliche Wärme, halb
sitzend, halb liegend auf dem ledernen
Polstern lese ich Deinen Brief, elektr. Licht
ist hier natürlich auch, im Radio ist schöne
Tanzmusik, vor mir steht Dein Bild
hinter einer Glasscheibe in einem blauen
Ramen. Du hast Dir Dein Haar so schön
machen lassen, hast einen niedlichen
weißen Pullover an und machst dazu
sehr verträumte Augen, bei der ganzen
Angelegenheit rauche ich eine Zigarette
und nasche dazu die neben mir liegen=
de halbe Tafel Schokolade. Das wäre
das augenblickliche Stillleben hier. Mit
der Zeit liebe ich mehr und mehr die
Gemütlichkeit. Meine, in meinen ge=
malten Bildchen sich ausdrückende

Sehnsucht nach dem sonnigen Süden
ist hier wohl verständlich, aber ich
glaube, daß ich meine Sehnsucht in
ein anderes Land verlegen muß, denn
da unten ist es nicht ganz geheuer
und somit nichts für Schwärmer und
Träumer. Unser Gedankenaustausch
oder wie wir's nennen wollen, es kann
auch etwas anderes sein, steigert sich
zusehens, was ich mit voller Zufrieden=
heit feststelle. In diesem Sinne und
bis zum nächsten Brief, tausend
herzliche Grüße, oder sind es zu viel?
Na, dann tausche ich die tausend herz=
lichen Grüße gegen einen herzhaften Kuß
ein, solltest Du auch diesen nicht
annehmen so verabschiede
ich mich heute von Dir
mit einem Strauß dun=
kelroter Rosen, und was
die bedeuten ........
                Dein
                Ulli




     


© Horst Decker