profilm.de Zeitzeugenberichte Zusammenfassung

Brief eines Luftwaffensoldaten an ein ihm unbekanntes
berliner Fräulein

                      Sonnabend, 24. Oktober 1942
Liebes Klärli!
   
     Heute bin ich in einer guten Stimmung, das
ist eigentlich der Grund, warum ich mein sonntäg=
liches Plauderstündchen schon auf den Sonnabend ver=
lege. Wenn der Empfänger auch in rosiger Stimmung
ist, wenn der meine Zeilen erhält, dann ist alles in bester
Ordnung. Deinen Brief vom 15. d. Monats habe ich heute
auch erhalten, worüber ich mich ja wie immer sehr ge=
freut habe, und wofür ich Dir herzlich danke. Die
Programmfrage hast Du ja glänzend gelöst, insbesondere
hast Du für die sogenannte Fahrt ins Blaue meine
volle Zustimmung. Es stimmt schon, daß man sich et=
was Festes nicht vornehmen kann. Was ich aber auch sehr
gerne habe, wenn ich mit Dir bei schöner Tanzmusik bei
einer Flasche Wein in einer märhenschönen Bar sitze und
das richtige Thema zur Unterhaltung werdenwir schon
finden, meinst Du nicht auch? Wahrscheinlich werde ich
in der ersten Zeit alles wie einen schönen Traum empfinden,
denn wenn man Wochen und Monate wie ein Naturmensch
in der Prärie und Steppe gelebt hat, dann kann das vor=
kommen Es liegt dann ganz an Dir, mich aus den Träu=
men herauszureißen und meiner Ansicht nach dürfte das
einem schönen Mädel nicht schwer fallen. Wie Du mir

selbst schreibst, so soll für Berlin auch der Wahlspruch:
'Ran an den Feind' gelten, das lasse ich mir natürlich
nicht zweimal sagen. Wenn ich nun noch das dazuzähle,
was ich in einem Jahr versäumt habe, was ich doch auch
nachholen muß, da kannst Du Dich ja auf 'Allerhand'
gefaßt machen. Na, wenn Du mich als 'Unschuld vom
Lande' ansiehst, dann wirst Du schon mit mir fertig
werden. In einem Lied heißt es: 'Ja die Frauen sind
gefährlich, denn sie stehlen Dir das Herz ...'. Wie Di siehst,
liebe Klärli, es ist für uns beide gleich gefahrvoll. Weil
wir aber so nette Briefkameraden geworden sind, da will
ich mich gerne dieser Gefahr aussetzen und Du glaube ich
- auch. Einen schönen Film werden wir uns auch ansehen,
oder wir drehen selbst einen Film , so etwas wie 'Zwei in einer
großen Stadt', was meinst Du? Leider fehlt die schöne
Sommerzeit dazu, gehn'n wir halt in ein Hallenbad!
Von der Luftwaffe bin ich ja auch, wenn auch nur 'Ober=
gefreiter', dafür habe ich aber etwas mehr Zeit für Dich,
als der Feldwebel im Film.
     So - und jetzt will ich mein Plauderstündchen
mit Dir für heute beenden. Vielleicht unterhalte ich
mich morgen wieder mit Dir, wenn ich eine Mußestunde
habe, oder viel mit meinen Gedanken bei Dir bin - -
   Herzliche Grüße
               Dein
                     Ulli



     


© Horst Decker