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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 29. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt. Dr. Schneider ist nun auch Vater einer Tochter geworden, aber leider ist ein Heimaturlaub nicht möglich.


O.U. d. 29.XI.44

Meine liebe, Frau, meine kleine Almute!
kaum hatte ich drei Worte hingeschrieben,
da kam Besuch. Der Oberleutnant der Stabs-
batterie wollte sich doch auch einmal über
die Vaterschaft mit mir unterhalten. Er
selbst hatte vor kurzem unheimlich Pech
gehabt. War ihm doch seine Frau beim 2.
Kind zwei Tage nach der Geburt in der
Klinik verblutet. Und dazu kommt er
nichts ahnend auf Urlaub. Wenn auch
das Kind am Leben geblieben ist, so ist
das doch ein furchtbarer Schlag.
Ja, mitunter ist das Schicksal doch recht
grausam. Nun, man weiß die Zusammen-
hänge zwar alle nicht und sieht dann
bei sich doch einen glücklicheren Stern.
Das ist wohl auch der Grund, weshalb
wir stets am Ende ein Glück für uns
verbuchen. Stimmts? Nun ja, wenn man
ganz kräftig auf Holz pocht, wohl sicher.

Frauchen, oder willst Du gar bestreiten,
daß 8 (in Worten 'acht') Briefe auf ein-
mal vielleicht ein ganz großes Glück be-
-deuten.
Ich war jedenfalls den ganzen Tag selig,
habe mich über Deine so lieben Zeilen
riesig gefreut und mich über manch nette
Bemerkung amüsiert. So zum Beispiel über
die, daß wohl alle Anzeichen für die
Geburt eines Buben sprachen und dann
ist es doch eine Almute geworden. Ja,
Liebling, der Mensch kann sich eben
irren, die Zeitung und allgemeine An-
-sicht also auch. Und wie ich zu un-
-serm kleinen Mädelchen, der Almute,
stehe, wie stolz ich auf sie bin, daß
weißt Du doch gewiß. Ich habe jeden-
-falls beim Lesen deiner gottseidank 'über-
-holten' Zeilen herzlich gelacht.
Na, und Deine Urlaubssehnsucht für mich

die kam auch gerade zum ungünstigen
Augenblick zu mir. Ist's damit doch etwas
sehr, sehr schlecht bestellt. Genau, wie beim
letztenmal, immer und immer wieder kommt
etwas dazwischen. Armes Hascherl, Du, bist
heute nun wieder um eine Enttäuschung rei-
-cher. Damit muß ich Dich nun so oft be-
-schenken. Schade!
Nimmst Du dafür ein ganz, ganz ver-
-liebten, nein, unheimlich viele Busserl als
Entschädigung an? Sag ja und wir wollen
auch so mit meinem Schicksal zufrieden
sein.
Ein bisserl Sorgen macht mir der Verbleib
der Päckel und dann auch die rechtzei-
-tige Erfüllung Deiner Wünsche. Hier in Un-
-garn gibt es noch weniger als in Deutsch-
land, glaube ich. Die Slowakei war halt
doch ein halbes Paradies. Im Stilllen hoff
ich aber, daß so manches inzwischen einge-
-trudelt ist. Anders wäre es doch eine große Ge-

meinheit.
Meinem dienstlichen Ärger habe ich heute
mal ordentlich Luft machen können. Das
macht Platz für die vielen Gedanken,
die mich immer wieder zu meinem lieben
Frauchen und der Lütten führen. Wann
werden wohl die ersten Zeilen von der
Zeit nach der Geburt bei mir eintreffen?
Zwar hast Du ja allerhand durchmachen
müssen und doch hast Du alles so tapfer
getragen. Du hast es für unser beider große
Liebe getan. Weißt Du, wenn Du in diesem
Zusammenhang von der großen Sehnsucht
sprichst, so kann ich von mir dasselbe ja
nur unterstreichen. Wie gerne würde ich jetzt
bei Dir sein und Dir sagen, wie mir zu
Mute ist. Aber nein, das kann man nicht,
nur zu erfühlen ist das möglich, wenn man
sich ganz gehört. Meine liebe Margot, drum
wollen wir uns in Gedanken finden, uns
liebkosen und ganz lieb und innig abküssen
Almute soll freilich auch nicht leer ausgehen
und so grüßt Euch beide wie die Eltern recht
herzlich
                                Dein Wolf

© Horst Decker





     




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