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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 27. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt. Es ist absehbar, dass der Aufenthalt auch dort nur kurz sein wird. Die sowjetischen Truppen befinden sich bereits auf der gegenüberliegenden Seite der Donau.


O.U. d. 27.XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Eine Woche ist nun heute schon unsre Almute alt.
Wie wird sie sich wohl entwickelt haben? Wie wird es
Dir gehen? Es ist schon schade, daß man gar so spär-
-liche Nachrichten bekommt. Ich bin doch neugierig
auf jede Kleinigkeit.
Seit gestern ist die Gefechtstätigkeit in unserem Abschnitt
ein bissel stärker. Manch schwere Brocken wechseln von
beiden Seiten die Donauufer. Die Donau ist nach
der Besetzung der Insel durch die Russen Hauptkampf-
linie geworden. Man muß sich also nunmehr von ihr
in respektabler Entfernung halten. Heute war ich mit
meinem Peter auf dem Gefechtsstand und habe all
die da vorne noch herumstehenden Pferde aufgesucht.
Da gab es manchen Ärger, denn da fehlte die rechte
Aufsicht und die Pferde verkommen vielfach.
Jedenfalls, enttäuscht bin ich wieder Richtung 'Heimat'
geritten. Bei den 2.beinigen P. habe ich Halt gemacht u.
mich von der gastfreundlichen ungarischen Familie einladen
lassen. Wie so oft jetzt, wurde auch da auf das Wohl
des Töchterchens und das unserer Familie getrunken.
Eben rumpelt es schon wieder ganz anständig. Es ist
weiter weg, wie mir schwant. Also werden wohl wieder
mal unsere Schlachtflieger im Gange sein. Wenn sich
auch die Russen mit ihren Maschinen sehen lassen,
deutsche Luftüberlegenheit besteht wohl doch hier.
Von meinen Quartiersleuten ist zu berichten, daß das Haus
mit der ganzen Familie voll ist. Eltern, Schwieger-
-eltern und Onkels geben sich hier ein Stelldichein
als Flüchtlinge und immer mit der bangen Frage
beschäftigt, kommt der Russe oder kommt er nicht.
Schön ist der Zustand nicht gerade zu nennen
und Du kannst Dir vorstellen, wie sie dauernd
mit Fragen zu mir gelaufen kommen.
Vor allem ist es da die schwerkranke Schwiegermutter,

die ein nervöses Herzleiden hat. Sie liegt mir
nun schon von Anfang an in den Ohren, ich
möchte ihr doch eine Fahrtmöglichkeit nach Buda-
-pest verschaffen. Dabei ist ds fast unmöglich, zu-
-mindest für mich, der ich ja keine oder nur wenig
Verbindung zu motorisierten Einheiten habe. Versuchen
will ich's aber dennoch.
Untergekommen bin ich hier recht gut. Ich schrieb
wohl schon mal kurz, daß ich den Salon belegt
habe. Auf einer pfundigen Couch kann ich mich lang
machen. Die Umgebung ist recht kulturvoll - also einiger-
-maßen wohl kann man sich schon fühlen.
Nur das Alleinsein in den langen Abendstunden
jetzt im Winter ist nicht das Richtige, zumal
der Rundfunk fehlt. Drum habe ich mir auch
gestern vom Regiment einen ganz dicken Schmöker
besorgt, um die Zeit einigermaßen manierlich über-
-brücken zu können. Die Leutchen haben eben
alle nur ungarische Bücher und das ist ja wie
auch die Sprache für uns restlos unverständlich.
Na, und wenn es mir wirklich mal zu lang werden
sollte, dann schalte ich das Licht aus und
denke an Dich und unser Jüngstes und dann
vergehen die Stunden im Fluge und ich bin
glücklich dabei.
Jetzt will ich aber mal Schluß machen, weil ich
ja den Eltern auch etwas von meiner Freude mitteilen
muß. Dann nur noch ganz schnell etwas 'Geschäftliches'.
Für einen neugekauften Rock und Reitbesatz muß ich
an Lt. Michael Bode, Straubing/Bayern, Kreissparkasse Konto Nr.
215 85,- RM eingezahlt haben. Ich hoffe, Du hast
nun inzwischen unser 'Gehalt' bekommen und es macht
darum keine Schwierigkeiten.
Dann will ich Dich aber haben, Dich ganz innig
drücken und Dich oft und lieb küssen
                                Dein Schneider

© Horst Decker





     




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