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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 26. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie auf dem Rückzug und in Ungarn angelangt. Dr. Schneider ist überglücklich über die Geburt der Tochter Almute.


O.U. d. 26.XI.44

Liebes Frauchen mit Almute!
Nach der gestrigen Freudenbotschaft ist der heutige Tag
ein Sonntag, wohl besonders glücklich.
Kaum habe ich einschlafen können, so haben mich
die Tatsache unserer kleinen Familie und dann Deine
Briefe in Gedanken beschäftigt. Trotz des unschönen Ge-
-schehens um uns herum, ist doch alles wieder unter
unserem guten Stern verlaufen. Aber Frauchen, es ist doch
so, wie ich letztlich mal schrieb, die Spannung noch
bis auf die Spitze getrieben worden. Daß ausgerechnet
in diesen Tagen Vater nach Wetzlar mußte, ist, man
möchte fast sagen, garnicht anders deutbar gewesen. Es
ist zum Lachen und nur gut, daß wir wohl beide
so etliche Reserven in unserer Nervensubstanz besitzen
anders wäre es zum Verücktwerden mitunter.
Wir sollten uns am Ende aber lieber umso mehr
freuen und haben dazu ja auch guten Grund.
Ich bin bloß auf die ersten Berichte über die
Geburt unseres Mädelchens und über das erste Anschauen
gespannt. Frauchen, und wie wird es Dir ergangen sein?
War es sehr schlimm? Oder hat Deine tapfere Lau-
-ferei bis zum letzten Tag geholfen, die Geburt leich-
-ter zu machen? War das frühzeitige Denken und
damit eine gründliche Geburtsvorbereitung aller daran
beteiligten Organe nicht ein Vorteil? Ja, Liebling
das muß ich alles erfragen, wo ich doch eigent-
-lich a, liebsten all das mit Dir erlebt hätte.
Da fällt mit eben noch ein, daß Almute die erste
'Schneiderin' ist, den anderen haben wir also doch etwas
voraus, wir besitzen das erste Bäschen, wo wir schon
nicht als Zuletztverheiratete die ersten Gören haben
konnten. Ob da Renate oder Anneliese nicht doch
der blasse Neid ankommt? Na, sollen sie sich anstren-
-gen, daß sie auch bald zu einem Haustöchterchen
kommen.

Liebstes Frauchen, das, was ich bisher schrieb war am
frühen morgen geschrieben. Selig, wie ich da ob meines
Vaterglücks erwachte, bin ich aber auch jetzt noch und
werde es wohl immer bleiben. Du glaubst gar nicht,
mit welchem Stolz ich mich jetzt bei allen
Bekannten als glücklicher Vater eines lieben, kleinen
Töchterchens bekenne - daß ich der Mann einer
ganz, ganz lieben Frau bin, nun, das brauche
ich ja wohl doch nicht jedem an die Nase
zu binden. Ganz abgesehen davon, daß derjenige,
den es wirklich interessiert, es ja doch bald an
meinen Gebaren merkt.
Liebstes Frauchen, dann will ich schnell mal
ein paar ganz liebe Busserl von Dir haben.
Kriegst auch die doppelte Anzahl wieder. Oder
ist Dir das vielleicht zu wenig?
Oben kreist übrigens der Iwan nächtlicherseits
über uns und wirft so allerhand schöne Sachen
ab. Zwar ist das durchaus nichts Besonderes, nur
ist es im Augenblick, wo ich mit meinem Frau-
-chen zusammen will, nicht unbedingt erfor-
-derlich. Meist Du nicht auch? Genausowenig,
nein, noch viel, viel weniger wünsche ich Dir eine
ähnliche Lage.
Ich habe heute eine lange Reise mit der
Kutsche hinter mir. Regiment, Abteilungen, Patienten,
alles in bunter Folge. Dabei die üblichen schlech-
-ten Wege. Regenwetter - und trotzdem beste Laune!
Warum? Nun, weil ich meine liebe Margot und
nun auch die kleine Almute besitze.
Frauchen, dann laß Dich ganz lieb umarmen. Dich
liebkosen, mit Dir schmusen und Dich ganz,
ganz innig abküssen von
            Deinem Wolf

© Horst Decker





     




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