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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 23. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie bereits in Ungarn. Aber auch Ungarn ist bereits zum Teil in sowjetischer Hand und wieder steht ein Rückzug bevor.


O.U. d. 24.

Mein liebes Frauchen!
Jetzt kann ich mal ordentlich angeben. Habe ich
doch heute schon 2x an Dich geschrieben und den-
-noch greife ich nur zu gern auch jetzt am Abend
zum dritten Male zum Füllfederhalter, um meinem Frau-
-chen zu schreiben.
Der erste Brief war ja eigentlich der gestrige, der 2te
liegt in dem Paket, was ich habe heute einpacken
und wegschicken können.
Es ist mir also gelungen, einen freundlichen Gruß
aus dem Speckland Ungarn mit einzupacken. Zu
dieser 'Fettigkeit' ist zu sagen, daß sie vor dem Ge-
-brauche ein bissel in Wasser zu legen ist, damit
das Salz ausgelaugt wird.
Es ist ein tolles Paket geworden. Alte Wäsche
eine Zeltbahn drumherum, Schuhe verschiedener Mach-
-art, ein paar Bonbons. Na, es ist halt ein regel-
-rechter Ausverkauf; denn es galt mal wieder, das
Gepäck ein bissel zu erleichtern. Im übrigen lie-
-gen mehrere Briefe mit verschiedenen Daten bei,
die dir erforderliche Aufklärung geben.
Heute sitze ich nun immer noch in unserem
gräflichen Schloß. Der Abmarsch ist wegen äußerst
schlechtem Wetters aufgeschoben worden, jedoch nicht
die Pferdeverteilerei, die ich für die Abteilung habe
im größten Schlamm durchführen müssen. Dabei
ist meinem 'Peter' das Mißgeschick passiert, in einen
Bach zu fallen. Sein Herr hatte des Risiko
eingegangen, ihn über eine schmale Brücke führen zu
wollen. Ein Pferd ist aber kein Mensch, es unterschei-
-det Vorder- und Hinterhand. Ja. und da ergab

es sich, daß die Vorderhand auf dem Steg marschie-
-ren wollte, die Hinterhand wolle das aber nicht.
Der Erfolg war dann ein Sturz in den Bach. Pudel-
-naß kam der Gute wieder auf die Beine. Mit
einem kühnen Satz gings dann die steile Böschung
hinauf, aber drüben waren wir alle beide. Na, und
das schlammige Aussehen fällt hier garnicht weiter
auf. Ist doch alles soweit man blicken kann,
ein fürchterlicher Morast.
Allein ritt ich nach einem kurzen 'Gabelfrühstück'
bei der Inspektorsfamilie im Novembernebel auf
unseren Hof zurück. An einer Feuerstelle gings
vorbei. Die armen Kerls müssen im Zelt kampieren.
Dann haben sie sich aber noch in einen Stroh-
-schober einquartiert. Hoffentlich bleibt das nicht
ihr Quartier. Aber die Infanteristen haben es noch
schlechter die vorne an der Donau.
In meinem dagegen feudalen Heim kam sogleich
die Mamsell und wollte mich versorgen. Nach
langem Hin und Her mußte ich schließlich
einen guten Kaffee und einen Kuchen annehmen.
Jetzt sitze ich bei Radiomusik und schreibe
Dir meinen Tagesbrief. Morgen werden wir wo anders
sein. Aber auch da werde ich Dich bekanntmachen.
Es liegt ja an einem selbst, ob man sich wohl
fühlt. Das richtige 'Wohl' wird es hier draußen
freilich nie. Denn dazu gehörst Du und unser
Gör, gehört unser Heim, gehört die Praxis und
die ganz persönliche Freiheit.
Und dennoch ist man schon glücklich, wenn man
mit seinem Frauchen in Gedanken zusammensein
kann. So umarme ich Dich, schmuse ein bissel mit Dir
und bin mit vielen innigen Küssen

          Dein Wolf

Am selben Tag schrieb Dr. Schneider noch eine Postkarte, die er ev. einem Päckchen beilegte.

O.U. d. 24.XI.44

Liebstes Frauchen!
Dieses Paket ist das Konglomerat vieler klei-
-ner Päckel. Drum findest Du mehr zum
lesen dort als wirklich positive Dinge oder sol-
-test Du vielleicht zufrieden sein?
Der Gruß aus dem Ungarland ist nicht zu
verachten. Die Verpackung ist so gut garniert,
um ja nicht den Verdacht zu erwecken, daß
etwas Fettiges im Paket ist. Wir haben in diesem
Punkt ja seltsame Erfahrungen.
Liebe Grüße an alle die es angeht und
Dir und dem Lüttgen recht innige Küsse von
Deinem Wolf.

© Horst Decker





     




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