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Brief aus Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 23. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Mittlerweile ist sie bereits in Ungarn. Aber auch Ungarn ist bereits zum Teil in sowjetischer Hand.


O.U. d. 23.XI.44

Meine liebes Frauchen!
Heute schreibe ich Dir den 2.ten Schreibbrief für
dieses obige Datum, weil der gestrige etwas mißglückt
war. Wieso und warum wirst Du fragen.
Nun, am gestrigen nachmittag habe ich mich auf
meinen Peter gesetzt und bin in den Regen hinaus
geritten, um mich in der Nahprotze nach einigen
Pferden umzusehen. Dort traf ich unseren Doktor, der
bei sehr netten ungarischen Quartiersleuten untergekommen
ist. Die Leute haben auch alles im von Russen
besetzten Teil Ungarns zurückgelassen. Und dennoch
haben sie noch Initiative. Hat der Mann doch
sofort einige Güter als Verwalter übernommen. Nun
sitzt er schon wieder direkt an der Front und
wer weiß, ob sie nicht noch einmal wandern müs-
-sen. Ihr Hauptehrgeiz uns Deutschen gegenüber
ist eine gute Bewirtung. Also kam es, daß ich
schon am Nachmittag Brathähnderl auf Wiener
Art und Nuß-Nudeln, ein ungarisches Nationalge-
-richt (als Nachtisch) essen mußte. Dazu gab es den
unvergeßlichen Wein und den in für viele in
letzter Zeit ungewohnten Mengen.
Na und der Erfolg davon war der, daß Dein
Wolfgang recht quick wurde und etwas (!) ange-
-heitert war. Gemerkt hat es kein Außenstehender,
selbst mir wäre es verborgen geblieben, wenn ich
mir heute morgen nicht den Brief an meine
liebe Margot noch einmal vorgenommen hätte.
Da habe ich mir gesagt, einen so verliebten Brief
kannst Du eigentlich nicht Deinem Frauchen schrei-
-ben; denn, wenn er das an sich ja garnicht genug
sein kann, so muß er doch ein bissel geordnet

sein. Das, was ich da aber zusammengeschrieben hatte,
war ein ziemlicher Kauderwelsch.
Wie glücklich ich über den Besitz meines Frauchens
bin, war haargenau beschrieben, wie wir keine Heimlich-
keiten mehr voreinander haben dürfen, ja, und wie
Dein Wolfgang stets eifersüchtig sein wird, obwohl er
doch genau weiß, daß dazu kein Grund vorhanden
ist. Als rotes Tuch geistert da immer noch in der
Erinnerung der Name 'Holtgreve' herum. Na, diesen
Punkt mußt Du mir mal gehörig austreiben.
Liebling, nun sei mir aber bitte nicht böse, wenn
ich einmal den Brief von gestern abend zerreiße,
andererseits aber doch den Inhalt berichte. Nun,
Briefe zerreiße ich sonst wohl nie, die an Dich ge-
-richtet sind; kann ich zu Dir doch mit allem
kommen und verstehst Du mich doch stets. Ja,
und so komm ich halt auch heute zu Dir u.
erzähle Dir alles, nehm der Erzählung von gestern
aber das z.T. Verwirrende.
Am Vormittag war noch ein ordentlicher Pferdeappell,
nach dem 'Doktorbesuch' und dem Heimritt habe
ich dann noch den Verwalter des Gutes besucht
und habe etwas Fettiges für Dich zu kaufen
versucht. Hoffentlich klappt es und kommt alles
zu Hause bei Euch an. Die Schuhpäckel sind
noch immer nicht weg. Jetzt ist endlich eine Gele-
-genheit, mal etwas mehr weg zu kriegen.
Zum Schluß schreibe ich vom anderen Brief ab:
'Ja, und nun ist es soweit, daß das Liebste zu
seinem Rechte kommt, daß ich mein Frauchen in
die Arme nehme, drücke, liebkose und innig abküsse.
Das Lütte bekommt freilich auch das, was ihm zu-
-steht. So grüßt Dich und den ganzen lieben An-
-hang recht herzlich"
          Dein Wolf

© Horst Decker





     




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