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Brief nach der Ankunft in Ungarn an Ehefrau in Frankfurt/Main, 15. November 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hatte sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und wurde von dort an die Grenzregion Slowakei-Ungarn verlegt.
Wegen der immer näher rückenden sowjetischen Armee und einsetzender Partisanentätigkeit hat sie sich gerade nach Ungarn zurückgezogen, wo die Front mittlerweile in Hörweite ist.


O.U. d. 15.XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Heute war ein ebensolch trauriges Wetter wie gestern u.
da galt es, all die steckengebliebenen Fahrzeuge
aus dem Morast zu ziehen und Männer und Pferde
in den recht beschränktem Quartier unterzubringen.
Trostlos ist bei alledem der ungeheuerliche Dreck
auf dem Gutshof, wo sich 'schöngelockte' Schweine
und anderes Viehzeug hurtig tummeln. Unter
anderem fand ich da heute auch einen weiteren
'Smick' (*), hier in Ungarn, dem Heimatland der
Kurasz (*), natürlich kein Kunststück. Ein Kaufge-
-such habe ich sogar gesartet, so 30 RM woll-
-ten die Leute haben. Vielleicht machen sie es,
wenn sie im Moment auch noch keinen Peng.
in der Tasche haben.
Bis zur nächsten Löhnung ist noch viel Zeit
und wer weiß, was bis dahin los ist. Vorerst
sind wir froh, überhaupt ein Dach über dem
Kopf zu haben.
Unser Glück ist das ungarische Offizierskorps, das
uns ab und an mal einlädt. Es sind
alles ältere Offiziere. Die Fähnriche sind alle
über 40, die Offiziere an die 50 Jahre. Wir
jungen Offiziere mit relativ hohen Dienstgra-
-den nehmen uns daneben recht komisch aus.
Und dennoch erscheint mir das alles berechtigt.
Unsere Deutsche Haltung entspricht ganz dem.
Wohl sind wir freier und irgendwie mehr
Herrenmenschen - im guten Sinne für uns -
obwohl die Ungarn doch alles schon ausgereifte
Männer in hohen Lebensstellungen sind, d.h.

im Zivilleben. Der eine ist Großgrundbesitzer,
der andere reicher Ingenieur und Weinbergbesitzer,
ein dritter Gemüsehändler und Bankdirektor.
Kurzum, für die meisten bedeutet Geld nichts.
Es ist ein buntes und hier nun wirklich
temperamentvolles Völkchen, gegenüber uns durch
den Altersunterschied ein besonderes auffallender
Kontrast.
Ich habe nun endlich auch die Kalesche
gefunden, die ich brauche. 2 sitzig, hinten Raum
für Gepäck bw. Armeekasten und vor allem leicht,
für 2, notfalls 1 Pferd zum Ziehen. Jetzt
gilt es nur, das Ding für mich zu erhalten
und einen entsprechenden Kutscher und 'Dauer-
-Ordonnanz' dafür zu erhalten .
Mit besonderer Freude erhielt ich nun heute
2 Briefe von Dir. Vom 25. und 26. Oktober, also
schon viele Tage liegen sie zurück. Manches
mag überholt sein, niemals aber sind es Deine
lieben Zeilen und Gedanken. Frauchen, immer
wieder ziehe ich sie aus der Tasche und
schmökere darin. Du schreibst schon von meiner
Strickjackenankündigung. Hoffentlich hast Du in-
-zwischen auch das Päckerl bekommen, damit Du
ewig fehlende Nahrungsmittel daraus nutzen
kannst. Ich wäre glücklich darüber.
Frauchen, und nun ist das schon der 3. Brief,
der sich durch meinen schlechten Postabgang auf-
gespart hat. Wenn Du also auch mal ein paar
Tage warten mußtest, so glaub mir, jeden Tag
bin ich ganz bei Dir, umarm Dich ganz innig
und bin mit vielen, lieben Küssen und Grüßen
          Dein Schneider

© Horst Decker
mit (*) gekennzeichnete Worte konnten nicht eindeutig entziffert werden.





     




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