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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben in der Nacht vom 5. auf 6. November 1944, Bericht zur Lage

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert.
Dr. Schneider beschwert sich über die Moralvorstellungen der Offiziere. Er befürchtet, dass seine Truppe direkt an die russische Front verlegt wird.


O.U. d. 5./6. XI.44

Meine liebe, gute Frau!
Heute mal wirklich ein Kurzbrief. *
Warum? fragst Du? Weil es schon sehr spät ist.
Nun, erst mal bekommst Du ein liebes
Busserl und danach will ich Dir sagen,
daß Du mir eben von Tag zu Tag noch
mehr ans Herz wächst als Du es ja schon
längst bist. Ach Frauchen, Du freust Dich,
wenn es mir gut geht, ja, gut, ich
nehme das zur Kenntnis, freue mich auch da-
-rüber, und habe doch immer wieder irgendwie
und irgendwo ein schlechtes Gewissen, daß
es so ist.
Aber wie lange noch? so muß man sich
heute schon fragen, wo die Verschiebung oder
Verlegung nicht nur örtlich begrenzt, sondern
eine wirkliche Richtung Ostfront bedeutet.
Der Russe ist halt zuweit vorgedrungen
und da wird es höchste Zeit, daß man
Truppen ihm entgegen wirft. Ich glaube,
auch wir werden dabei sein. Angst brauchst
Du aber vorerst deswegen noch nicht zu
haben, ne, die sollst Du ja außerdem
niemals haben. Denke immer an unsern guten
Stern, denke an Dein 'Unkraut' und an
meinen Glauben, daß ich sehr bald bei
dem lieben Frauchen, bei Dir und mei-
nem ersten Würgel sein werde.
Man mag fast garnicht daran denken, so aus

dem Häuschen ist man, wenn man an
die liebe Mutti und unseren Jüngsten denkt.
Frauchen, selten bin ich wohl so sehnsücht-
-tig nach Dir gewesen und habe nach Dir
verlangt, um ganz eins mit Dir zu sein.
Jeder Deiner Briefe, sie alle zeigen
mir immer wieder, wie eng verbunden und
damit auch unzertrennlich wir miteinander
sind. Weißt Du, und das macht mich so
unendlich glücklich.
Mag noch so eine traurige Umgebung um
mich herum sein, die Offiziere der Abteilung
haben sich gerade heute mir gegenüber sehr
schovel gezeigt. Aber warum, weil man ihnen
gegenüber zu anständig auftritt. Der Dank
ist dann nicht das Gleiche, sondern das Ge-
-genteil, wahrscheinlich, weil sie Anständigkeit
gleich Schwäche und womöglich Dummheit
setzen. Sollte ich aber bei ihnen bleiben,
dann werden diese Herrschaften sich schwer irren,
das steht fest. Mein Plan nach dieser
Richtung hin ist klar. Davon aber später.
Heute ist es Zeit, Dir gute-Nacht! zu
sagen, Dich zu umarmen, zu liebkosen und
ganz innig abzuküssen.
Mit den herzlichsten Grüßen bin ich so
stets Dein Dich ewig liebender
          Wolf

*Nach dem Schluß stellte ich fest, daß er doch bald die normale Länge hat.

© Horst Decker





     




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