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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 22. Oktober 1944, familiäre Fragen, Kommandeurswechsel

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt wird. Der alte Kommandeur ist zur SS versetzt, der neue findet nicht die Sympathie von Dr. Schneider



O.U. d. 22. 10.44

Meine liebe, gute Frau!
Heute war ein besonderer Freudentag, da 3
Briefe auf einmal von Dir hier eintrudelten.
So ist der heutige Sonntag wirklich vollkom-
men.
Einige gegenteilige Gefühlsausbrüche gab es
allerdings auch, vor allem beim Lesen der
Gebührnisstellen-Pamphlete überkam mich der
heilige Zorn. Ich habe den Brüdern auch
gleich eine entsprechende Antwort geschrieben.
Die letzten Sätze lauten: 'Es ist wohl zweck-
-mäßig, solchen Herren einmal klarzumachen, daß
sie in der jetzigen Zeit völlig fehl am Platze
sind, wenn sie glauben, mit schulmeisterlich
garnierten Trödeleien (ich, bezw, meine Frau hat
bis heute noch keine entspr. Besoldung erhalten),
albernen 'Bemerkungen' und Entgleisungen dieser
Art ihre Daseinsberechtigung beweisen zu müssen.
Wir Soldaten hier draußen und ebenso die Hei-
-mat haben andere Sorgen und dafür jeden-
-falls kein Verständnis ' ...
Na, Du kannst Dir danach ausmalen, wie
die übrigen Zeilen aussahen.

Das nächste war rein dienstlicher Natur
und betraf die Verteilung der dem Regi-
-ment neuzugewiesenen Pferde. Da galt es, einen
faux pas einer meiner Vet.-Offiziere zu berichti-
-gen. Ob allerdings der Herr Oberst dazu das
nötige Rückrat hat, bezweifele ich noch. Morgen
werde ich es wissen, dann schreibe ich's genauer.
Ja, und was war es denn bloß noch?
Ach ja, Margots Brief, d.h. der Schluß, in dem sie
dreist anfragte, ob mich meine Frau noch im-
-mer so ärgere. Im ersten Augenblick wußte
ich wahrhaftig nicht, was ich dazu sagen
sollte. Meinte sie es ernst, so ist's ein Spaß
(denn geärgert hast Du mich kaum einmal
und wann wirklich, da war ich nicht dabei!)
Ja, und war es ein Scherz, warum? Auch
am scherzhaften Wort muß doch ein Kern
Wahrheit hängen und das trifft in diesem
Falle doch so garnicht zu. Sollte da
noch immer dieser große Irrtum der Bragers
während der Dembaer Zeit mitsprechen?
Na, dann können die Herrschaften sich begra-
-ben lassen. Was ich meine, weißt Du ja und

wie ich darüber denke, auch, d.h. nämlich
garnicht.
So, jetzt habe ich meinem Herzen ordentlich
Luft gemacht. Merkst Du es, wie wohl ich
mich gleich fühle. Ja? Na, dann will ich
auch mit einer Anzahl Busserl aufwarten,
ja, ganz lieb und innig sollen sie sein.
In Deinen Briefen hast Du mir viel Liebes
gesagt und glaub mir, ich gebe mich jetzt,
wo ich von mir aus doch nichts helfen und
dann tun kann, mit der Lage der Dinge
zufrieden. Du bleibst eben zu Hause und
wir wollen hoffen, daß alles gut geht.
Es ist schon ein 'Malheur', daß ich mir das
alles so ansehen muß. Aber ich weiß und fühle
es sehr wohl, wenn ich nicht einverstanden
wäre, wäre das den Eltern gegenüber sehr
undankbar. Frauchen, verstehe Du mich bitte
recht und erkläre es auch mal Mutti und
Vati. Daß beide Dein oder auch unser Bestes
wollen, ist mir völlig klar und wenn sie
sich für Dich und das Würgel und dauernd
auch für mich so aufopfernd bemühen, em-

-pfinde ich nur herzliche Freude und Dank-
-barkeit. Die Eltern sind mir damit sehr, sehr
nahegerückt. Ich schrieb Dir schon einmal,
daß ich mich heute - neben unserm Nest, ver-
-steht sich - in Frankfurt am meisten zu
Hause fühle.
Dem sollen auch garnicht meine bisher geheg-
-ten Ansichten entgegenstehen. Für mich als
Deinem Mann ist doch das Nächstliegende - auch
wenn anderes noch näher liegen möchte - die
eigene Hilfe, der eigene Entschluß d.h. zuerst
sollen wir uns selbst helfen, ehe wir an-
-dere bemühen sollen. Frauchen, den Ein-
-wand der Eltern kenne ich dabei und
der besagte einmal, es seien keine Mühen
und wenn wirklich, dann seien sie in dieser
Zeit und bei unseren Verhältnissen für sie eine
ehrliche Freude und ein Glück. Mitunter
macht man sich da auch Gedanken, daß
die Eltern meine Sorgen, wie ich sie Dir und
in einem Brief auch Vati gegenüber geäußert
habe, bei ihrer dauernden Fürsorge um Dich,
als ein wenig kränkend empfinden.

Frauchen, da mußt Du mal eine
Lanze für mich brechen. Auch wenn ich
den Eltern manche Freude gemacht haben
mag, was mich von Herzen froh machte,
so will ich doch auch in diesem einen
Punkte keinerlei Mißverständnis gelten lassen.
Ich übertreibe und vergößere damit nichts,
aber ich will Euer restloses Einverständnis.
So und damit ist dieses Kapitel ab-
-geschlossen.
Gib Mutti einen Kuß und Vati einen
ordentlichen Händedruck von mir und sag
ihnen, daß ich dankbar und glücklich bin,
Dich bei ihnen geborgen zu wissen.
Euch Frankfurter Kleeblatt wird schon un-
-ser guter Stern leuchten, vor allem, wo
jetzt das 4. Blättchen im Anmarsch
ist.
Und nun noch schnell zu einigen
Fragen von Dir. An Paten habe ich
wahrhaftig noch nicht gedacht. Mir ist's
auch recht, wenn wir es lassen, Nur ist

vielleicht das 'Gevatter-haben' für das
Würgel ganz nett. Das 'wer' ist dann
allerdings eine Preisfrage. Aber können
wir das nicht kurz vor der Tauffeierlich-
-keit, bei der ich doch dabei sein will,
endgültig klären?
Klein-Elke werde ich zu ihrem Ge-
-burtstag ein Päckchen schicken. Dazu ist
allerdings notwendig, daß ich die Anschrift
dieses guten Mädchens weiß.
Frauchen, inzwischen ist ein Offiziersabend
hinter mir. Es ist also schon Montag-
-morgen, wo ich die letzten Zeilen
schreibe! Es war der Abschiedsabend
unseres Kommandeurs. Schade, schade,
daß er geht, denn es ist fraglich,
ob der kommende ähnlich großzügig
und anständig sein wird.
Der Neue, bisher ein Batteriechef un-
-serer Abteilung, hat eine Antipathie

für mich, die auch gestern Abend - oder
auch heute Nacht - zum Durchbruch kam.
Damit muß und werde ich aber fertig
werden. Es ist übrigens der gleiche Mann,
mit dem ich mich seinerzeit bei diesem
... - deutschem Trinkgelage 'unter-
-halten' habe.
Doch Frauchen, all das soll mich weniger
berühren als vielmehr die Tatsache, daß
es nach solch langem Schreiben endlich
an der Zeit ist, mich meiner lieben
Margot ganz hinzugeben.
Drum laß mich Dich ganz lieb und
feste umarmen, Dich drücken, liebkosen
und innig küssen. Ich bin und will es
auch immer sein, Dein in Dich völlig
vernarrter und verliebter

Schneider

© Horst Decker





     




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