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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 17. Oktober 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt wird.
Dr. Schneider erzählt in diesem Brief von einem festlichen Essen bei der örtlichen Tierarztfamilie


O.U. d. 17. 10.44

Meine liebe, gute Frau!
Eben komme ich von der Familie Ka-
-minski zurück.
Der Major und ich waren heute zum
Abendessen bei Ihnen eingeladen.
Am Vormittag der Zahnarztbesuch war nicht
ganz erfreulich, zum Ausgleich habe ich
aber meiner lieben Frau einen Wunsch er-
-füllen können und das hat mich wieder-
um restlos glücklich gemacht.
Weißt Du, was ich meine? Den Sweater, oder
auf Hochdeutsch die Strickjacke. Dann habe
ich noch einen allerdings sehr harmlosen, aber
mir trotzdem einigermaßen gefallenden Pyjama
eingekauft und will nur hoffen, daß ich
in beiden Fällen das Richtige getroffen
habe. Kriegste d.h. Mutti bekommt für Euch
alle noch als Trost ein bissel Fettigkeiten.
Ansonsten weden wegen der Finanzlage die
Pakete eben nicht reichhaltiger. Aber, das
wirst Du ja alles bei Ankunft der

Sachen entsprechend bewerten können.
Doch jetzt will ich Dir einiges von heute
abend erzählen.
Der Major war ja vor allem auf das Tan-
-zen aus. Wie es danach mit mir steht,
das kannst Du Dir bei Deiner Abwesenheit
denken. Die Musik - und es waren tat-
-sächlich gute Platten auf dem Platten-
-spieler - machte einem die Beine schon
locker, aber - ich tanze ja nicht, jeden-
-falls nicht ohne Dich. Meine Frau, ja die
kann tanzen, die kann auch mit mir
tanzen und - mit der will auch ich
tanzen. Ich habe mich also auf das
Tanzmusik-Orchester verlegt, immerhin bei
'einem' Tanzpaar eine Aufgabe. Kaminsky
als Ukrainier gab einige urkrainischen
Volkstänze zum Besten, ganz prächtig.
Dieser Mann hat einen unheimlichen
Schwung.
Frauchen, nun muß ich Dir nach diesem
musikalischen und tänzerischen Geplauder

den Mund noch weiter wässrig machen,
jetzt aber mit dem Essen.
Es gab eine Suppe, vor dem Essen noch
einige Glas Schnaps, weiter Rindfleisch
und danach gebackenes Geflügel mit
einer Art Bratkartoffeln. Bis dahin gab
es Bier, anschließend im Verein mit Kom-
-pott und Mehlspeise, Obst und Gebäck
Wein. Als Abschluß mit Rauchwaren
Bohnenkaffee.
Beim geselligen Zusammensein Wein und
zum Schluß jetzt in größeren Mengen, un-
-terbrochen von Nußtorte.
Du siehst also, fast friedensmäßig. Nun,
bist Du jetzt mit dem Dasein des
Mannes zufrieden? Entbehrt er wirklich
zuviel, nur seiner Frau zuliebe? Meine
liebste Margot, das, was andere in Wirt-
-schaften u. sonstwo teuer bezahlen
müssen, habe ich ja oft netter umsonst.
Also brauchst Du in diesem Punkte wahr-
-haftig keine Sorgen zu machen. Ganz

abgesehen davon, daß das alles in
meinen Augen nur wenig bedeutet gegen-
-über dem, was Du mir zu geben
bereit bist.
Meine liebe Margot, ich bin so stolz
auf Dich und glaube mir, ich hätte
vor Jahren nie gedacht, einen Menschen
- selbst als Mann - so zugetan sein
zu können wie Dir. Darüber bin ich immer
wieder so froh und wirklich glücklich. Ich
muß es Dir darum auch öfters sagen
und wiederholen. Wie soll man sich
aber auch anders verständlich machen?
Könnten wir leiblich miteinander versinken,
nun, dann wäre es schon längst geschehen.
So warten wir immer wieder aufs Neue
auf dieses Erlebnis des sich-findens und
haben eine unendlcihe Sehnsucht danach.
Liebling, laß mich ganz nah bei Dir sein,
immer und immer wieder bin ich bei meiner
Frau, bin mit herzlichen Grüßen und vielen,
vielen innigen Küssen
Dein Wolf

© Horst Decker





     




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