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Brief von der slowakisch-ungarischen Grenze bei Sered an Ehefrau in Frankfurt/Main, geschrieben am 26. September 1944

Die Truppe, der Dr. Schneider angehört, hat sich wegen den anrückenden englischen Truppen aus der französischen Somme-Region zurückgezogen und ist nun in der Grenzregion Slowakei-Ungarn stationiert, wo die Truppe in Sered neu aufgestellt werde soll. Er beschreibt seine Hengstkastationen und die günstige Gelegenheit für einen Großeinkauf für sie.

O.U. d. 26. 9.44

Meine liebe, gute Frau!

Frankfurt schon wieder bombardiert und noch immer
keine Post von Dir da. Noch immer weiß ich nicht, wo
und wie Du dort steckst. Das sind mir alles wunde
Stellen in meinem Herzen, ja.
Wer hätte das alles für möglich gehalten? Frauchen, ich
muß Dir gleich am Anfang der Briefe eine langes, liebes
Busserl aufdrücken. Ich mache dabei vielleicht ein etwas trau-
-riges Gesicht, nun inniger ist's aber gewesen. Hast Du's gemerkt?

Frauchen, jetzt geht hier nur langsam der alte Dreh
einer Neuaufstellung los. Besichtigungen, alberne Befehle,
usw. usw.
Ich distanziere mich von alledem insofern beruhigt, als
ich auch eigene Wege zu gehen versuche. Das Hengst-
-kastrieren gehört dazu. Übrigens hast Du gut den Dau-
-men gehalten. Ging es doch heute sehr gut und
ein zuschauender Tierarzt war ganz begeistert von meiner
Demonstration. Tatsächlich klappte alles auch wie am Schnür-
-chen. Die guten alten Herren - es waren alles ältere
Hengste - ließen sich alles recht gut gefallen. Na,
manches macht dabei freilich auch meine Ruhe bei derlei
Manipulationen. Aber entschuldige bitte diese Angabe, es wird
wohl bloß mein Phlegma sein, meinst Du nicht auch?
Sag ja und rette mich aus dieser Ruhe ein bissel
durch Dein von mir so beneidetes Temparament. Ach
Frauchen, ich möchte Dir bloß noch immer beweisen, daß
ich davon auch etwas besitze, sich dieses aber auf einer
anderen Ebene bewegt, als daß es jetzt stärker in
Erscheinung treten könnte. Traust Du das Deinem großen
Jungen zu? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß
Du es doch mal erfahren mußt, Du mein lieber,
guter Schneck!
Am liebsten würde ich zudem jetzt aus der Haut fahren
und Dir mit vielen Liebkosungen wenigstens mich einer
bekannteren Richtung hin das Phlegma von mir zu ver-
grämen. Ja, das täte ich!
Ich wollte ja aber noch etwas ganz anderes erzählen.
Heute war bei mir Großeinkaufstag. Ich habe mir von
allen Seiten Kronen zusammengeliehen und habe dann
lustig und frei weg eingekauft. Da morgen eine
wahrscheinlich einmalige Gelegenheit besteht, etwas ins
Reich zu schicken, bekommst Du also sicher jetzt
Dein 'Weihnachtspaket' (Da staunst Du, was?). Ja
Liebste, es ist's wahrhaftig beinah geworden, Näher
auslassen will ich mich diesmal nicht darüber, obwohl
es mir schwer fällt. Warum? Nun, aus lauter
Zappeligkeit, Dir mal endlich wieder eine Freude ma-
-chen zu können. Das Paket geht noch nach Frank-
furt, obwohl ich Dich dort nicht mehr als Einwohnerin
hoffe. Vati oder Mutti wird Dir aber schon alles zu-
-stecken. Die Hauptsache nur, daß alles ordentlich ankommt.
Umsonst will ich doch hier nicht 'armer Mann' spielen.
Na, keine Angst, so schlimm ist's wahrhaftig nicht.

Frauchen, jetzt ganz schnell (so, wie Du kannst, natürlich nur)
zu mir, in meine Arme versteht sich (die sind auch jetzt
noch lang genug) und dann viele, ganz viele verliebte
innige Küsse und recht herzliche Grüße von Deinem Wolf.

© Horst Decker