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Brief aus dem französischen Gefangenenlager Epinal (Vogesen) Frankreich, ca 350km östlich von Paris,
geschrieben am 16.04. 1947 an Ehefrau in Frankfurt/Main



16.4. Meine Lieben ! Gestern erhielt ich wieder einmal
Post von Euch, sie kommt jetzt ziemlich regel-
mäßig an, ich kann schon jedesmal damit
rechnen; die Briefe waren von Mutti vom 30.3.
und von den Eltern vom 30.3. ebenfalls. Die in
Vaters Brief angekündigten Päckchen sind
schon am 10.4. angekommen und ebenfalls
im letzten Brief bestätigt.- Die Angelegen-
heit des Zivilarbeiterverhältnisses ist hier
nur angedeutet worden, die Ausführungs-
bestimmungen fehlen noch,; ebenso
auf dem Gebiete der amtlichen Entlassungs-
meldungen hält man uns hier sehr
hinter dem Monde, daher ist es gut,
wenn Ihr mir bitte alles amtliche
mitteilt, was sich in dieser Beziehung
rührt. - Die Magdeburger Sache muß
nun leider für einige Zeit ruhen, denn
für uns ist das Arbeiten verboten worden;
möglich, daß es auch nur eine
Schikane des Franzosen ist. Am Mon-
tag habe ich mich wieder mit dem
maßgeblichen Offz. lange unterhalten.
Er sagt unser Transport sei abge-

schlossen und gemeldet, man rechnet
also mit meinem baldigen Verschwinden.
Vielleicht war unser Verhalten ein Fehler
oder wird es zum Vorteil sein.- Die Rasier-
geschichte ist folgende: Einen Apparat
habe ich mir inzwischen angeschafft. Die
Klingen kann man in der Kantine
kaufen, allerdings franz. Fabrikat, sie
taugen überhaupt nichts, es lohnt
sich nicht, sie zu kaufen. Vom Ami
hatte ich uns noch einige Päckchen
mitgebracht, sie sind inzwischen auch
alle. Wir haben die ganze Zeit einen Friseur auf
der Stube, der uns
rasierte, doch auch wird es bald
damit zu Enden sein. Ich rasiere
mich (oder ließ es) immer noch zweimal in der
Woche, so halten die Klingen eine
schöne Zeit. Heute z.B. habe ich die
letzte Klinge des im September gesandten
Päckchens angebrochen. Ich habe also
mithin noch ein ganzes Päckchen in
Vorrat. Wenn Ihr also könnt, schickt
mit bitte alle zwei Monate ein Päckchen.

An Rasierseife bin ich ganz gut daran.
Wir haben erst ein ganzes Stück gute
franz. bekommen und dann jetzt
das letzte von Euch. Ich benutze diese
als Seife zum Baden und Kopfwäsche,
monatlich bekommen wir 1 St. Ton-
seife und etwas Waschseife, die aller-
dings gerade für die Wäsche ausreicht.
Ich wasche zweimal im Monat
meine Wäsche, denn gar zu schmutzig
wird sie nicht. Als wir noch einen
Ofen hatten, konnte ich sogar die
Sachen kochen, jetzt wurde er uns
genommen, so muß ich einmal
sehen, was sich machen läßt.
Vielleicht wird auch etwas von Seiten
der Lagerleitung damit unternommen.
Wenn es geht, schickt nun also
bitte auch etwas Haushaltsseife,
denn die ist, wie beschrieben, hier
sehr knapp. - Spinde zum Aufbe-
wahren der Sachen habe ich nicht,
dagegen habe ich mir schon beim
Ami einen sehr stabilen, verschließ-
baren Koffer aus Kistenbretter und
Sperrholz gebaut, der mir schon

sehr gute Dienste leistete. Bei
Transporten diente er mir als
Sitzgelegenheit und jetzt als Spind.
Ich kann meine wenigen Sachen
gut unterbringen und mit einem
Schloß verschliessen, also ist es
besser damit bestellt, als Ihr es
dachtet. Ein Taschenmesser habe
ich inzwischen auch angeschafft,
es ist amerikanisch und von besserer
Qualität, als die, die man in
der Kantine zu kaufen bekommt.
Ein Eßbesteck besteht aus selbst-
angefertigten Küchenmesserchen
(Kneipchen) aus einem Metallsägeblatt,
sogar mit Griff, von einem richtigen
Messer überhaupt nicht zu unter-
scheiden. Es ist guter Stahl und
sehr scharf, oft habe ich mir
schon damit in die Finger geschnitten.
Ein Messinglöffel , um dessen Erneuerung
ich allerdings bitte, wenn möglich,
einen aus Aluminium, denn

der aus Messing setzt immer Grün-
span an, Eine Gabel brauche ich
keine, da man nichts zum Stechen
hat, die Suppen ißt man ja
nur mit dem Löffel und Pell-
kartoffeln mit Kotelett und
grünem Salat gibt es nicht. Sollte
es dies ausnahmsweise einmal
geben, kann man sie auch
mit dem Löffel essen. Ich danke
Euch für Euer Angebot, ist aber
nicht nötig, bis auf den Löffel.
Vorher hatte ich aus Büchsen
gegessen, doch seit Ménil besitze
ich ein neues Kochgeschirr, das ich
beim Bauern mitgehen ließ. Teller
brauche ich also auch nicht.
Mit Schuhen bin ich gut daran,
mit allerhand Schmier-Zigaretten
kam ich im November zu
einem Paar nagelneuer Militär-
schnürschuhen, die ich gleich mit
einer neuen Sohle und gestohlenen

Eisenspitzen versehen ließ. Nebenbei
besitze ich noch 1 Paar franz.
Holzschuhe allgemeiner Art. Wenn
man mir die Lederschuhe läßt,
und sie bis zur Entlassung
noch halten, habe ich sogar noch
schöne Arbeitschuhe. Auf den
übersandten Bildchen muß
ich sogar feststellen, daß Mutsch
1 P. Halbschuhe trägt. Ich kann
mich gar nicht erinnern, daß
meine Frau Halbschuhe in ihrem
Schuhbestand hat?! Sollten es
eventuell meine sein, mit der
Hausnummer 44-45?
Bei uns ist nun herrlichster Sonnen-
schein, den ganzen Tag sind wir in
der Sonne und vertrödeln die
kostbaren Tage, die man so nötig
zu Hause braucht. Wann hat
das Alles ein Ende?
Mit den herzlichsten Grüssen
und liebsten Küssen verbleibe ich
Euer Kurt und Papi!

© Horst Decker


   


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